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Sorgenkind Religionsunterricht?
Aus Kontext vom 03.02.2020. Bild: Keystone / Gaetan Bally
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Lehrplan 21 auf holprigem Weg «Vielen Kindern wird wenig oder kein Religionswissen vermittelt»

Der Lehrplan 21 schreibt Religionskunde vor. Doch das funktioniert an vielen Schulen schlecht.

«Die Idee ist gut, aber die Umsetzung ist in 16 von 21 Kantonen unbefriedigend» stellt Simon Gaus Caprez fest. Er hat für die interreligiöse Arbeitsgemeinschaft Iras Cotis in der Schweiz eine Bestandesaufnahme des Religionsunterrichts an den Schulen gemacht.

Religion – so ist es im Lehrplan 21 vorgesehen – soll Teil des Unterrichts sein auf Primar- und Sekundarstufe. Nicht eine konfessionelle Unterweisung in Glaubensfragen wie in der Sonntagschule oder im Konfirmationsunterricht. Sondern eine säkulare Religionskunde, in der Wissen über die eigene und andere Religionen vermittelt wird. Doch wirklich funktionieren tut das nicht.

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Religionsunterricht gemäss Lehrplan 21 – ein Sorgenkind?
aus Blickpunkt Religion vom 02.02.2020. Bild: SRF / Sébastien Thibault
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«Das Fach fällt zwischen Stuhl und Bank, es stehen in den meisten Kantonen viel zu wenig Stunden zur Verfügung. Tausende von Kindern erhalten wenig bis gar kein Wissen vermittelt in Sachen Religion» kritisiert Gaus Caprez.

Fehlendes Wissen sei schlecht für einen echten Dialog. Dieser wäre gerade heute enorm wichtig, weil das Thema «Religion» in den Medien und auf den Pausenplätzen allgegenwärtig sei.

Heisse Kartoffel «Religion»

Tatsächlich kann von einer Harmonisierung – wie es der Lehrplan 21 zum Ziel hat – in Bezug auf Religionsunterricht keine Rede sein: Solothurn zum Beispiel überlässt den Unterricht weiterhin den Kirchen, in Sankt Gallen wird der Religionsunterricht sowohl durch den Staat als auch durch die Kirchen unterrichtet. Die Kinder dürfen, respektive müssen dabei wählen zwischen dem säkularen und dem kirchlichen Unterricht.

Lehrplan 21 kurz erklärt

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Der Lehrplan 21 ist eine Schulreform, bei der eine Harmonisierung des Schulstoffes zwischen den Deutschschweizer Kantonen und den zweisprachigen Kantonen hergestellt werden soll. 2010 wurde mit dem Konzept dieses Lehrplans 21 begonnen. Inzwischen ist er in allen 21 Kantonen eingeführt.

Neben den klassischen Fächern wie Mathematik und Deutsch werden auch neue Fächer wie z.B. Medien oder Informatik eingeführt. Ebenfalls vorgesehen ist ein nicht konfessionell orientierter Religionsunterricht. In der Primarschulstufe ist Religion Teil des Fachbereichs «Natur, Mensch, Gesellschaft», auf Sekundarstufe Teil des Fachbereichs «Ethik, Religion, Gemeinschaft».

Auch in Basel, dem wohl multikulturellsten Kanton der Schweiz, hinkt der säkulare Religionsunterricht an den Schulen dem Lehrplan 21 hinterher. Das gibt Flavio Tiburzi unumwunden zu. Er ist im Erziehungsdepartement Basel-Stadt zuständig für den Lehrplan 21 an den Volksschulen,

«Trotzdem sehe ich bei unseren Lehrerinnen und Lehrern eine grosse Sensibilität für religiöse Themen, die dann vielleicht auch mal im Geschichtsunterricht oder während einer Turnstunde zur Sprache kommen, wenn zum Beispiel Streit geschlichtet werden muss», sagt Tiburzi.

Sensibilität ist gut – Wissen wäre besser

Was ist eine Bibel? Wer hat die Thora geschrieben? Warum fasten die Muslime und haben Naturvölker auch eine Religion? Fragen für den säkularen Unterricht, deren Antwort sich nicht so einfach aus dem Ärmel schütteln lassen.

«Ein Teil der Lehrerinnen und Lehrer möchte das Thema nicht unterrichten und viele sind nicht ausreichend fachlich ausgebildet», meint Petra Bleisch. Sie ist Fachdidaktikerin für Ethik und Religionskunde an der Pädagogischen Hochschule Freiburg und unterrichtet das Lehrpersonal für den Religionskundeunterricht im Auftrag einiger Kantone – darunter auch Basel. «Einige scheuen auch schlicht die Auseinandersetzungen mit den Eltern und lassen deshalb lieber die Finger vom Religionsunterricht».

Alles Wildwuchs?

In Basel ist die Weiterbildung für die Lehrer und Lehrerinnen freiwillig: «Wir wollen sie nicht dazu zwingen, weil das nichts bringt», meint Flavio Tiburzi.

Dem widerspricht Petra Bleisch: «Ich mache in den obligatorischen Kursen immer wieder die Erfahrung, dass Lehrpersonen erst im Kurs erkennen, worum es wirklich geht und sie das Thema Religion interessanter finden, als sie ursprünglich dachten. Diese Lehrpersonen wären nie freiwillig gekommen.»

Schiffbruch und Wildwuchs also auf weiter Strecke in Sachen «Harmonisierung des Religionsunterrichtes»? Flavio Tiburzi meint: Nein – nur ein schwieriger Weg mit einem zähen Anfang.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 4.2.2020, 9.00 Uhr

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