Nein, leise ist es nicht im Basler «Generationenhaus Neubad». Im Gegenteil. Kaum schreitet man durch die Empfangshalle, bemerkt man schon das unbeschwerte Kindergelächter. Mehrere Kinder haben es sich auf einem elastischen Segeltuch bequem gemacht. Die Betreuer, aber auch Seniorinnen und Senioren, ziehen am Tuch und werfen die Kinder in die Höhe.
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Therese Banier versucht, einen kleinen Jungen in die Luft zu werfen. Vor neun Monaten hat sie schweren Herzens ihre Wohnung verlassen und ist ins Generationenhaus gezogen. Sie freut sich über die vielen Kinder hier. Das hat auch einen persönlichen Grund: Sie habe früher zu wenig Zeit gehabt, sich genügend um ihre eigenen Kinder zu kümmern: «Wir waren Hauswarte, das war einiges an Arbeit. Hier können die Kinder schreien und kreischen, bei uns zuhause ging das nicht. Man musste immer sagen ‹Sei leise!› Aber das ist hier anders. Das finde ich toll.»
«Ich fühle mich zuhause»
Die Kindertagesstätte ist in einem Nebenraum untergebracht. Jeden Tag werden die Kinder für eineinhalb Stunden in den Aufenthaltsraum des Altersheimes gebracht. Heute sind es ein Dutzend.
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Die Kinder spielen in der Mitte des Raumes. Einige Senioren machen aktiv mit. Aber die Mehrheit schaut einfach zu – aus gesundheitlichen Gründen. Aber auch das mache Spass, sagt der 80-jährige Bernard Brandenberg, der lange als Primarlehrer in diesem Quartier arbeitete: «Ich fühle mich zuhause. Ich hatte immer mit Kindern zu tun. Nun macht es mir Spass zuzuschauen, wie sich die Kinder immer wieder aufrappeln: Sie können hundertmal hinfallen, stellen sich wieder auf die Beinen und rennen weiter.»
«Wir wollen kein Wartesaal sein»
Vor gut 40 Jahren wurde das Altersheim im Basler Neubad-Quartier gebaut, erst vor zwölf Jahren kam die Kindertages-Stätte dazu. Ein solches Generationenhaus ist in der Nordwestschweiz einzigartig, nur in Bern gibt es das gleiche Angebot.
Ziel sei es, erklärt Pflegeleiter Dominik Lehmann, so etwas wie Normalität aufleben zu lassen: «‹Heime› sind künstliche Landschaften, Wartesäle, Abbau und Langeweile. Das wollen wir hier nicht. Es geht darum, Leben zu ermöglichen. Und es geht auch darum, andere Betreuungskonzepte anzubieten.»
Selbstverständlichkeit für die Kinder
Auch die Kinder würden von dieser speziellen Konstellation profitieren, ist die Erzieherin Petra Koipers überzeugt. Das bemerke sie, wenn sie bei Ausflügen Kinder von anderen Kindertagesstätten treffe: «Unsere Kinder rennen zwischen den Rollatoren und Rollstühlen hin und her, klettern auch mal drauf. Sie nehmen das als selbstverständlich an. Kinder anderer Tagis hingegen gucken und beobachten.»
Diese Natürlichkeit im Umgang ist beim Besuch sofort spürbar. Kleine Kinder kriechen zwischen den Rollstühlen hindurch. So kommt es automatisch zu einer Interaktion. Mal muss ein Bewohner ein Kind trösten, mal eine Bewohnerin einen Ball zurückwerfen.
Den Bewohnern geht es besser
Die Seniorinnen und Senioren würden damit aus einer Art Starrheit befreit und dadurch konkrete Fortschritte erzielen, sagt Leiter Dominik Lehmann: «Am spürbarsten ist das auf der Ebene der Bewegung: Wir haben viele Bewohner, die nicht mehr auf Rollstühle angewiesen sind, es gibt weniger Stürze. Und den Bewohnern geht es auch psychisch besser.»
Das Generationenhaus Neubad vereint Babys im Alter von wenigen Monaten und Senioren, die fast 100 Jahre alt sind – unter einem Dach. Beide Generationen profitieren.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 21.9.2015, 16.50 Uhr