Das Wichtigste in Kürze
- Worte beeinflussen unser Denken und Handeln – im positiven wie im negativen Sinne.
- Wähler werden stärker von Worten beeinflusst als von Fakten .
- Wer seine Wahrnehmung für vermeintlich harmlose Wörter schärft, der nutzt die Macht der Sprache zu seinem eigenen Vorteil.
Sprache ist mächtig. Wie mächtig – das vergessen wir im Alltag oft.
Die Linguistin und Kognitionsforscherin Elisabeth Wehling erforscht, wie Worte unser Denken und Handeln beeinflussen – und zwar im positiven wie im negativen Sinne: «Wenn Sprache wie ein Feuerzeug wäre, nutzen Sie das Feuerzeug, um eine Kerze anzuzünden, Licht ins Dunkle zu bringen, oder nutzen Sie es, um ein Haus anzuzünden?»
Lieber «leben» als «sterben»
Sprache kann aufklären, informieren – sie kann aber auch manipulieren.
Elisabeth Wehling verweist auf ein Experiment aus der Verhaltenspsychologie. Die Teilnehmer sollten entscheiden, ob schwer kranke Patienten operiert werden oder nicht.
Der ersten Gruppe sagten die Wissenschaftler, die Patienten hätten eine 90-prozentige Überlebenschance. Bei der zweiten Gruppe formulierten die Forscher denselben Sachverhalt anders: Die Patienten hätten ein zehnprozentiges Sterberisiko.
Wenn Sprache wie ein Feuerzeug wäre, zünden Sie damit ein Haus an?
Das Ergebnis: Die erste Gruppe sei Feuer und Flamme gewesen für diesen Eingriff. Die zweite Gruppe hingegen hätte sich gegen die OP ausgesprochen. «Selbst bei einfachster Faktenlage wie 90 versus 10 Prozent denkt der Mensch nicht rational, wägt er Fakten nicht ohne interpretative Muster ab», so Wehling. In diesem Fall funktionierten die interpretativen Muster, die sogenannten Framings, über die Wörter «Überlebenschance» und «Sterberisiko».
Framings sind Deutungsrahmen, also Assoziationen und Interpretationen. Denn Wörter erzeugen automatisch Bilder in unseren Köpfen – und diese Bilder sind beim Wort «Überlebenschance» deutlich positiver als beim Wort «Sterberisiko».
«Wandel» vs. «Katastrophe»
Wie wirkmächtig Sprache auch im politischen Diskurs ist – das unterschätzten viele Politiker, sagt Elisabeth Wehling. Tatsächlich würden Wähler stärker von Worten und den impliziten Assoziationen beeinflusst als von Fakten. Vielen Politikern sei zudem gar nicht klar, was sie implizit mit ihrer Wortwahl ausdrücken. Ein Beispiel: Das Wort «Klimawandel».
«Was ist ein Wandel?», fragt Wehling. Wandeln könnten wir uns zum Guten oder zum Schlechten. Zunächst mal sei einfach nur eine Veränderung des Istzustandes impliziert – nichts Negatives. Jeder, der sich für Klimaschutz aussprechen will, der tue das besser nicht mit Worten wie «Klimawandel», sondern, so Wehling: «Man müsste tatsächlich einmal Worte wie ‹Klimakatastrophe› oder zumindest ‹Klimaverschlechterung› in den Mund nehmen, um der Tatsache gerecht zu werden, um die es einem politisch geht.»
Simple Sprache gewinnt
Solche kleinen, aber feinen Unterschiede im Framing nutzten bislang vor allem Rechtspopulisten geschickt, sagt Wehling. Bestes Beispiel: der neue US-Präsident Donald Trump.
Dieser sagt: Wir bauen eine Mauer. Er verliert sich nicht in abstrakteren Dingen wie: Wir müssen die Immigration in unser Land wieder stärker regulieren. «So kommt er bei den Menschen an, weil er Dinge klar benennt. Und vor allem ist es eine Sprache, die unserer Alltagssprache gleicht.»
Macht der Sprache nutzen
Elisabeth Wehling hat Trumps Sprache im Wahlkampf analysiert. Das Resultat: Trump verwende Sprache auf dem Niveau eines Viertklässlers. Doch die Linguistin sieht das nicht als Schwäche. Im Gegenteil: Alltagssprache erreiche die Menschen am besten. Zudem habe Trump mit seiner Wortwahl genau die Bilder heraufbeschworen, die zu seiner Weltsicht passen.
Trump kommt bei den Menschen an, weil er Dinge klar benennt.
Auch Politiker, die inhaltlich nichts mit Trump gemein hätten, könnten sich in dieser Hinsicht ein Beispiel an ihm nehmen. Jede Partei müsse sich sprachlich selbst gerecht werden. Das sähen wir derzeit noch nicht genug, meint Wehling: «Viele Parteien und Gruppen kommunizieren ihre eigene Interpretation der Politik nicht klar. Das ist eine Sache, die man ändern kann – zum Teil relativ schnell.»
Aber nicht nur die Politik kann etwas ändern, um besser zu den Menschen durchzudringen. Auch jeder einzelne ist gefragt: Wer seine Wahrnehmung für vermeintlich harmlose Wörter schärft, der nutzt die Macht der Sprache zu seinem eigenen Vorteil.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 31.01.2017, 12:10 Uhr