Zum Inhalt springen

Madeleine Albright «Der Faschismus ist in Mode gekommen»

Beunruhigende Worte aus berufenem Mund: Die frühere US-Aussenministerin Madeleine Albright warnt in ihrem aktuellen Buch vor der Wiederkehr des Faschismus.

«Der Faschismus ist tatsächlich in Mode gekommen und schleicht sich wie eine Schlingpflanze in den gesellschaftlichen Diskurs ein.» Die These von Madeleine Albrights politischem Sachbuch «Faschismus – eine Warnung» ist pointiert: Der Faschismus, verantwortlich für unsägliches Leid und Millionen von Toten, bahne sich gegenwärtig einen Weg zurück in die Tagespolitik.

Die Lektüre dieses Buchs ist ebenso beklemmend wie aufrüttelnd. Dies umso mehr, als es durch grosse Sachkenntnis und analytische Tiefe besticht – und zudem von einer Autorin stammt, welche die politische Entwicklung rund um den Globus genau kennt.

Umstrittene Politikerin

Box aufklappen Box zuklappen

Die 81-jährige Madeleine Albright war die erste Aussenministerin der USA. Sie hatte dieses Amt unter Bill Clinton von 1997 bis 2001 inne. Danach übernahm sie eine Professur für internationale Beziehungen. Als Politikerin war Albright nicht unumstritten, etwa aufgrund ihrer harten Haltung gegenüber dem Irak oder wegen ihrer Unterstützung der Nato-Luftangriffe auf Serbien im Kosovokrieg.

Globaler Blick

Madeleine Albright nimmt in «Faschismus – eine Warnung» die ganze Welt ins Blickfeld: die USA, Russland, die Türkei, China, die osteuropäischen Staaten, Lateinamerika.

Und immer wieder gelangt sie zum selben beunruhigenden Befund: Die antidemokratischen, repressiven und zerstörerischen Kräfte seien auf dem Vormarsch – Kräfte, die grosse Ähnlichkeiten hätten mit dem Faschismus des 20. Jahrhunderts.

In historischen Rückblicken arbeitet Madeleine Albright zunächst heraus, wie es faschistischen Diktatoren wie Mussolini und Hitler im letzten Jahrhundert gelungen ist, mit demokratischen Mitteln die Macht zu erlangen um danach die Demokratie zu beseitigen.

Die Albright zeigt auf, was die strukturellen Bedingungen waren, die den Aufstieg der faschistischen Führer damals erst möglich machten: etwa die wirtschaftliche Not nach dem Ersten Weltkrieg. Die Orientierungslosigkeit zahlloser Menschen. Das Versagen der demokratischen Kräfte.

Lügen und «Erlöser»

Das Buch schildert, wie damals mehr und mehr Lüge und Diffamierung Einzug hielten in die politische Diskussion. Wie Heilsversprechungen der selbsternannten Erlöser bei vielen Menschen auf Resonanz stiessen, die sich nach einem starken Mann sehnten. Wie diese Führerfiguren gesellschaftlichen Minderheiten wie Juden oder Linken pauschal die Schuld an allem Unheil gaben und ein Klima der Angst und Gewalt schufen.

Und dann schlägt Madeleine Albright die Brücke ins Heute: In den Regierungen verschiedener Länder seien wieder faschistische Tendenzen spürbar.

«Für mich ist ein Faschist jemand, der sich stark mit einer gesamten Nation oder Gruppe identifiziert und den Anspruch erhebt, in deren Namen zu sprechen, jemand, den die Rechte anderer nicht kümmern und der gewillt ist, zur Erreichung seiner Ziele jedes Mittel zu ergreifen, einschliesslich Gewalt.»

Heilsversprechen, Ver­leum­dung, Gewalt

Madeleine Albright erzählt von Putin, Trump, Erdogan, Orban und anderen. Sie macht dabei nicht den Fehler, diese pauschal mit Hitler oder Mussolini gleichzusetzen. Dazu ist sie zu sehr Wissenschafterin.

Doch kann man ihr ernsthaft widersprechen, wenn sie darlegt, dass sie alle mit demokratischen Mitteln an die Macht gelangt sind, jedoch von der Demokratie wenig bis nichts halten?

Dass sie – wie die Faschisten – mit Heilsversprechungen operieren, mit Lügenpropaganda und mit der Diffamierung ganzer Bevölkerungsgruppen – und auch mit Gewalt unterschiedlicher Ausprägung?

Die Lehre der Geschichte

Die grösste Gefahr bestehe in der starken «Versuchung, die Augen zu verschliessen und darauf zu hoffen, dass das Schlimmste einfach vorübergeht. Aber die Geschichte lehrt uns, wenn unsere Freiheit weiterbestehen soll, muss sie verteidigt werden, und wenn Lügen unterbunden werden sollen, muss man sie entlarven.»

Buchhinweis

Box aufklappen Box zuklappen

Madeleine Albright: «Faschismus – eine Warnung». Dumont, 2018.

Madeleine Albrights Buch bringt für politisch Interessierte kaum neue Fakten. Es zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass es parallele Entwicklungen rund um den Globus detailliert nachzeichnet und in den historischen Kontext einbettet. Dies erlaubt es, in der Vergangenheit die Gegenwart zu lesen.

Und so ist Madeleine Albrights Warnung vor dem Faschismus letztlich ein eindringliches Plädoyer für die Freiheit, die – so die Überzeugung der Autorin – in Europa, Amerika und in Teilen Asiens heute so gefährdet ist wie nie mehr seit dem Zweiten Weltkrieg.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 16.7.2018, 17:10 Uhr

Meistgelesene Artikel