Zwei Fernsehserien zeigen die Welt der Mafia, ihrer Bosse und deren Helfershelfern – eine Welt, in der der Staat machtlos scheint im Kampf gegen die organisierte Kriminalität.
Bei Netflix ist die Serie «Suburra» zu sehen. Sie beschreibt spannend die Verquickung von Mafia und Kleinkriminalität mit römischer Politik und dem Vatikan. «Gomorra» bei Sky-TV zeigt die organisierte Kriminalität im Grossraum Neapel. Diese Serie basiert auf den Recherchen des Journalisten Roberto Saviano.
Fasziniert vom Bösen
Beiden Serien gemein ist ein abgründiger Einblick in kriminelle Strukturen und deren Beziehungen zu Staatsvertretern. Beide Serien thematisieren konkrete Realitäten in Rom und in Neapel und bringen diese, dramaturgisch verdichtet, auf den Punkt.
Anti-Mafia-Staatsanwälten passt das nicht. Sie werfen den Produzenten beider Serien vor, eine Faszination für die kriminelle Mafia-Welt zu erzeugen, die vor allem auf junge Menschen anziehend wirken könne.
Die Mafia lockt mit dem schnellen Geld
Die Ermittler verweisen dabei auf den Umstand, dass die organisierte Kriminalität bei jungen und arbeitslosen Italienern eine viel versprechende soziale Alternative darstelle.
Es gibt in Italien zu wenige Arbeitsplätze, und wenn, dann sind sie schlecht bezahlt. In bestimmten Städten und Stadtvierteln, in denen Mafia-Bosse den Ton angeben, wenden sich junge Menschen deshalb an die Mafiosi als Arbeitgeber. Der Traum vom schnellen Geld ist dabei noch besonders verlockend.
Es ist der Starjournalist Saviano selbst, der dieses System der Arbeitsbeschaffung durch Bosse in seinen verschiedenen Reportagebüchern hervorragend darstellt.
Er beschreibt die Gründe, die junge Menschen dazu bringen, für Bosse zu arbeiten: Man verdient schnell viel Geld und wird zu einer respektierten Person. Bedürfnisse, die Bosse in jenen Gegenden zu befriedigen wissen, die sozial und wirtschaftlich besonders vernachlässigt sind.
Keine Verherrlichung im TV
Anti-Mafia-Staatsanwälte, die den Fernsehserien «Suburra» und «Gomorra» Verherrlichung mafiösen Gehabes und der Figur des coolen Bosses vorwerfen, sprechen von einer Mafiakultur. Damit meinen sie eine kriminelle Gegenkultur.
So existiert beispielsweise in Neapel eine illegale Musikszene, in der die Figur des Bosses und die Gewalt der Camorra offen verherrlicht wird. Anti-Mafia-Ermittler sind deshalb überzeugt, dass man dieser Kultur keinen Platz im Fernsehen geben sollte. Jedenfalls nicht so, wie das bei «Suburra» und «Gomorra» geschieht.
Mafiöse Ästhetisierung
Die Macher beider Fernsehserien verteidigen sich. Sie sind davon überzeugt, dass Fernsehzuschauer zu unterscheiden wissen, was Mafiaverherrlichung sei und was nicht. Aber genau das scheint nicht der Fall zu sein.
Mafiasoziologen wie Enzo Ciconte von der Universität Rom kritisieren, dass gerade Bildmedien wie Kino und Fernsehen eine subtile Form mafiöser Ästhetisierung betreiben, die bei frustrierten jungen Italienern ungemein gut ankomme.
Selbstkontrolle?
Ciconte fragt sich, ob es nicht sinnvoll wäre, beim Thema Mafia auf eine gewisse Selbstkontrolle in den Medien zu achten. Schliesslich sei das Thema Mafia in Italien nicht nur heikel, sondern extrem gefährlich: Weite Teile Süditaliens werden von der Mafia kontrolliert.
Die Clans setzen pro Jahr rund 60 Milliarden Franken um. Angesichts dieser Tatsache, so der Mafia-Fachmann Ciconte, verbiete sich eigentlich jede Form von Ästhetisierung.
Sendung: Radio SRF 4 News, 16.12.2017, 8.50 Uhr