Romeo Koyote Rosen fühlt sich mit Schnauz, Bart und hohen Schuhen am wohlsten. Sein Geschlecht nennt er «transform». Warum sich der Genderaktivist bewusst ausserhalb des männlichen und weiblichen Geschlechts positioniert.
SRF: Seit fast 20 Jahren tragen Sie einen Bart. Was bedeutet er Ihnen?
Romeo Koyote Rosen: Mein eingetragenes Geschlecht ist zwar «weiblich», aber mit meinem Schnauz habe ich meine Vielform entdeckt. Das heisst ich bleibe in meiner Form, in meinem ich, aber bin wandelbar.
Wie ein Dragking?
Nein, mir geht es nicht darum, die männliche oder weibliche Rolle zu inszenieren. Ich will die binäre Ordnung – also die Diktatur von männlich und weiblich – auflösen. Dabei kopiere ich bestimmte Stereotype, die als männlich oder weiblich gelesen werden. Ich mache das aber so, wie es mir gefällt. Ich nenne mich Dream King und damit meine ich: dressed as me.
Die Auflösung von Geschlechtern finden Menschen nur an der Fasnacht kreativ, nicht im Alltag.
Tragen Sie den Bart auch, wenn Sie alleine sind?
Klar, das ist ja keine Performance. Ich mache das nicht für die anderen, das bin ich. Ich habe einen natürlichen «Damenbart», der auch mit zunehmenden Alter wächst. Um mich wohl zu fühlen, sind mir das aber zu wenige Haare. Statt Testosteron zu nehmen, klebe ich welche dazu.
Wie werden Sie von anderen Menschen gelesen, welche Reaktionen erhalten Sie?
Solange ich nicht mit Menschen interagiere, gehe ich als Mann durch. Das ist auch manchmal ganz praktisch: ich werde zum Beispiel nicht von Männern angemacht, wenn ich nachts von einer Party komme. Ich kann mich hinter der maskulinen Wirkung verstecken.
Wenn ich aber Highheels und Spitze dazu anziehe, kann es gefährlich werden. Da habe ich immer wieder Anfeindungen erlebt auf der Strasse. Die Auflösung von Geschlechtern finden Menschen nur an der Fasnacht kreativ, nicht im Alltag.
Warum sind diese binären Strukturen – männlich, weiblich – so stark in unseren Köpfen verankert?
Weil wir es nicht anders lernen. Der Begriff dafür ist «Heteronormativität», die gelernte Normvorstellung, dass Menschen sich mit dem ihnen bei Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren und heterosexuell begehren.
Ich denke aber, dass viele den Versuch nicht wagen, aus einem bestimmten Korsett herauszutreten. Wenn wir uns ehrlich fragen, was unsere eigenen Wünsche und Bedürfnisse in Bezug auf Geschlechtsidentität sind, eröffnen sich unbegrenzte Verwandlungsmöglichkeiten!
Im Alltag müssen wir uns aber ständig entscheiden - für Mann oder Frau: beim Arzt, beim Gang zur Toilette, wenn wir ein Formular ausfüllen.
Genau dieses System bildet auch die Sprache ab: es gibt kein geschlechtsneutrales Pronomen, es gibt nur «er» oder «sie».
Auszuleben wie man sich wirklich fühlt, ist schwer. Oder in meinem Fall anstrengend: ich muss mich die ganze Zeit erklären. Aber ich versuche dann immer persönlich auf die Leute zuzugehen und sie daran zu erinnern, dass Geschlechtervielfalt heute dazugehört.
Conchita Wurst hat in den letzten Jahren gezeigt, wie brüchig Geschlechtszuordnungen sind. Sie hat den Bart – der symbolisch für Männlichkeit steht – umcodiert. Ist diese Figur wichtig für Sie?
In Sachen Geschlechtervielfalt hat sie viel bewegt in der öffentlichen Wahrnehmung. Aber schon vor Conchita gab es viele Weder-Noch-Persönlichkeiten, die mir wichtiger sind: Grace Jones oder Boy George zum Beispiel oder die Aktivistin und Dragqueen Marsha P. Johnson.
Marsha wurde im Mainstream immer belächelt, aber für mich gehört sie zu den wichtigsten Vorkämpferinnen hin zu einer Utopie der Geschlechtervielfalt.