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Menschenhandel Schwieriger Kampf gegen Menschenhandel

Schweizer Behörden kämpfen gegen das Milliardengeschäft. Hilfsorganisationen fordern Verbesserung des Opferschutzes.

Menschenhandel ist ein lukratives Geschäft: Laut Schätzungen der UNO werden damit weltweit rund 32 Milliarden Dollar verdient.

Mehr als 90 Prozent der Fälle, die in der Schweiz ans Licht kommen, betreffen Frauen, die im Sexgewerbe ausgebeutet werden. Menschenhandel gibt es aber auch in anderen Bereichen, etwa in der Pflege oder im Baugewerbe.

Erste Hürde: Opfer ausfindig machen

Wer in die Fänge von Menschenhändlern geraten ist, wendet sich meist nicht von selbst an die Behörden: Viele Betroffene haben schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht, sagt Rebecca Angelini von der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration FIZ.

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Frauenhandel: Wie schützt die Schweiz Betroffene?
aus Kontext vom 20.03.2018. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 53 Minuten 16 Sekunden.

Damit die Mitarbeiter der Polizei und der Migrationsbehörden Opfer von Menschenhandel überhaupt finden und identifizieren können, gab es in den vergangenen Jahren Schulungen und Sensibilisierungsveranstaltungen, sagt Alexander Ott, Leiter der Fremdenpolizei Bern.

Grosse Kantonale Unterschiede

Eine weitere Hürde bei der Bekämpfung von Menschenhandel sind die grossen kantonalen Unterschiede, sagt Rebecca Angelini. Dort, wo der politische Wille und genügend Ressourcen für Schulungen und Ermittlungen vorhanden sind, wie etwa in Zürich, Solothurn oder Bern, werden auch mehr Fälle aufgedeckt als in anderen Kantonen:

Frauen mit Masken im Gesicht tragen Plakate durch die Strasse. Auf denen steht: «Armut» und «Zwang».
Legende: Kampagne für mehr Schutz und Rechte für die Opfer von Frauenhandel, Bern, 2008. Keystone

«Hohe Fallzahlen sind positiv, denn sie zeigen, wo proaktiv ermittelt wird», so Angelini. Dass es keine einheitlichen Standards für die Kantone im Umgang mit Menschenhandel gibt, erschwere den Opferschutz: «Für die Betroffenen ist es Glück oder Pech, in welchem Kanton sie ausgebeutet worden sind.»

Um die kantonalen Unterschiede abzubauen, gibt es mittlerweile in 16 Kantonen so genannte «Runde Tische gegen Menschenhandel», um die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Justiz, Opferhilfestellen und Migrationsbehörden zu verbessern.

Angst vor den Tätern und Ausweisung

Bei der Betreuung der Betroffenen stossen Hilfsorganisationen oft an Grenzen: «Es fehlt uns an Zeit», sagt Rebecca Angelini von der FIZ. In der Schweiz haben mutmassliche Opfer von Menschenhandel eine Erholungs- und Bedenkzeit von 30 Tagen, um zu entscheiden, ob sie mit den Behörden kooperieren und Aussagen machen wollen. Ansonsten müssen sie das Land verlassen.

Eine schwierige Entscheidung, denn viele betroffene Frauen haben Angst vor den Tätern. Oft sind sie schwer traumatisiert und müssen sich zuerst psychisch und physisch stabilisieren.

Verbesserungen im Asylbereich gefordert

Besonders prekär ist die Situation bei Asylverfahren: «Gerade bei Dublin-Verfahren reicht die Zeit oft nicht einmal, um abzuklären, wo die Tat überhaupt stattgefunden hat – schon sitzt die Frau in Ausschaffungshaft», sagt Rebecca Angelini. Deshalb fordern Opferhilfeorganisationen, dass Betroffene umgehend geschützt werden, sobald der Verdacht auf Menschenhandel aufkommt.

Dublin-Verfahren

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Das Dublin-Verfahren regelt, dass Asylbewerber in dem Land zu registrieren sind, in dem sie die Europäische Union betreten. Dadurch soll sicher gestellt werden, dass jeder Asylantrag nur einmal bearbeitet wird. Die Verordnung umfasst neben den EU-Mitgliedstaaten auch Island und Norwegen. Auch mit der Schweiz gibt es ein Abkommen.

Das wäre eigentlich im Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels vorgesehen, das auch die Schweiz ratifiziert hat.

Doch das SEM, das Staatssekretariat für Migration, verweist darauf, dass sich betroffene Asylsuchende in den Dublin-Partner-Staaten um Schutz bemühen können. Also in jenen Ländern, in die sie nach dem Dublin-Verfahren abgeschoben werden, da sie dort die EU zum ersten Mal betreten haben, oder für die sie ein Visum haben.

Unterschiedliche Rechtssysteme

Hier kommen sich zwei Rechtssysteme ins Gehege, bestätigt Alexander Ott, der auch bei der Koordinationsstelle gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel (KSMM) des Bundes arbeitet, die staatliche und nichtstaatliche Organisationen in diesem Bereich vernetzt.

Sowohl Hilfsorganisationen wie die UNO und der Europarat fordern die Schweiz dazu auf, den Schutz von Menschenhandelsopfern im Asylbereich zu verbessern. «Das Problem ist erkannt», sagt Alexander Ott. «Der Opferschutz im Asylbereich ist ein Schwerpunktthema im aktuellen Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung des Menschenhandels.»

Es gibt Lücken beim Opferschutz, darin sind sich Hilfsorganisationen und der Bund einig. Auch sind sie sich einig, dass die Schweiz in den letzten Jahren sehr viel unternommen hat, um besser gegen Menschenhandel vorzugehen.

Die wichtigsten internationalen Abkommen wurden ratifiziert, und auch auf gesetzlicher Ebene gab es grosse Fortschritte. Und die Anstrengungen müssen weitergehen, sagt Alexander Ott, denn: «Der Menschenhandel blüht auf dem Nährboden eines Milliardengeschäfts.»

Die weltweite Verteilungsungerechtigkeit sei dafür verantwortlich, dass Menschen in Abhängigkeitsverhältnisse geraten und gehandelt werden. Deshalb sieht Ott in naher Zukunft keine Lösung, sondern nur eine Linderung des Problems: «Wir bekämpfen in den westlichen Ländern nur das Symptom.»

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