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Catherine Deneuve
Legende: Erkennt sich in der gegenwärtigen #MeToo-Debatte nicht wieder: Schauspielerin Catherine Deneuve. Keystone

#MeToo in Frankreich «Französinnen fürchten, dass der Flirt stirbt»

Non zu #MeToo: Catherine Deneuve und andere Frauen geben Gegensteuer in der #MeToo-Debatte – mit einem offenen Brief. Dafür ernten sie scharfe Kritik. Frankreich-Korrespondentin Barbara Kostolnik über Macht und Männer in Frankreich.

SRF: Catherine Deneuve und die anderen Unterzeichnerinnen des Briefes fordern eine «Freiheit, zu belästigen». Das klingt erst einmal absurd. Worum geht es den Unterzeichnerinnen des Briefs?

Barbara Kostolnik: Sie unterscheiden darin klar: Die Weinstein-Affäre und die Vergewaltigungen, die bekannt geworden sind, sind für sie natürlich nicht okay. Aber sie wehren sich dagegen, dass jetzt sämtliche Anzüglichkeiten – la drague, wie die Franzosen sagen, die Anmache, der Flirt – kriminalisiert werden.

Sie sagen auch, was bei #MeToo – die französische Version heisst # balancetonporc – geschehe, gehe viel zu weit. Etwa die Hand auf dem Knie, der gestohlene Kuss, das sei auf keinen Fall ein Delikt. Das werde jetzt einfach kriminalisiert. Sie sagen: Alle Männer würden kriminalisiert, dadurch würden Frauen geschwächt.

Das heisst, auch ein schneller Kuss – auch gegen den Willen der Frau – wäre für die Unterzeichnerinnen in Ordnung.

Zur Person

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Barbara Kostolnik ist Frankreich-Korrespondentin des Bayerischen Rundfunks für die ARD. Sie lebt seit drei Jahren in Paris.

Zumindest lese ich das aus dem Brief heraus. Sie schreiben das genau so. Männer würden sanktioniert, allein deswegen.

Meines Erachtens stimmt das nicht. Es ist noch kein Mann deswegen entlassen worden. Andererseits: Die Hand auf das Knie, gegen den Willen der Frau, das geht einfach nicht. Die hat da nichts verloren.

Und bei einem gestohlenen Kuss ist das genauso. Das ist schlicht eine «aggression sexuelle». Deswegen gibt es auch heftigen Gegenwind gegen den Brief.

Wie reagiert die französische Öffentlichkeit auf diesen Brief?

Der Brief hat hohe Wellen geschlagen. Vor allem in den sozialen Medien. Französische Frauenaktivistinnen der jüngeren Generation – Caroline de Haas zum Beispiel – haben auf «France Info» mit einem Brief reagiert . Dabei haben sie den «Le Monde»-Brief zerlegt.

Wenn es im Deneuve-Brief heisst, #MeToo gehe zu weit, dann sagt Caroline de Haas: «Wir sind überhaupt schon zu weit.» Denn es gibt 100 Vergewaltigungen am Tag, der Exzess ist täglich zu sehen und zu spüren. Das kann man nicht mehr kleinreden.

Auch wenn es bei Deneuve heisst, man darf jetzt nichts mehr sagen, dann sagt Caroline de Haas: «Gut so. Ich will diese Witzchen und Anzüglichkeiten auch nicht mehr hören.» Dass das dann weggelächelt wird, eine Veränderung des Bewusstseins ist gefragt – und zwar bei den Männern.

Ist das eine kleine Gruppe von Feministinnen, die so empört auf diesen Brief reagiert? Oder ist es eine grosse Welle des Protest, auch von anderen Seiten?

Es sind vor allem jüngere Feministinnen, die zum Teil aggressiv reagieren und sich nichts mehr gefallen lassen. Ihnen stösst auf, dass im Brief immer wieder von der Verantwortung der Frauen gesprochen wird.

Es heisst etwa, dass die Unterzeichnerinnen ihre Töchter zu eigenständigen und selbstbewussten Menschen erziehen wollen. Von den Söhnen ist aber keine Rede. Da müsste man auch ansetzen. Das ist eine Schieflage, die ziemlich schlecht ankommt.

Gibt es auch Männer, die auf den Brief reagieren und sagen: «Ist doch super, dass endlich jemand deutlich macht, dass diese #MeToo-Diskussion sowieso schon viel zu weit geht»?

Es gibt Maskulinisten, die das schon die ganze Zeit sagen. Dass dieser Pranger von #MeToo aufhören solle und dass nicht alle Männer so seien. Natürlich sind nicht alle Männer so. Aber es geht um einen Bewusstseinswandel.

Einige behaupten, es sei kein Wunder, dass die Kritik an #MeToo aus Frankreich komme, schliesslich gilt das Land eher sexuell freizügig. Wird in Frankreich anders über sexuelle Belästigung diskutiert als im angloamerikanischen Raum?

Es wird auf jeden Fall härter diskutiert – die Gräben sind tiefer. Catherine Deneuve und die anderen Unterzeichnerinnen sind besorgt, dass der Flirt stirbt. Dass man nichts mehr sagen darf und von einer Sittenpolizei überwacht wird.

Andererseits gibt es in Frankreich genau solche Fälle von sexueller Belästigung. Ein prominentes Beispiel aus der Politik ist Dominique Strauss-Kahn. Bei ihm haben sich die Frauen im Schrank versteckt, wenn er vorbeikam. Das war ein Akt von Aggression, dem man das Mäntelchen der Galanterie umgehängt hat. Weil man gesagt hat: «Ach, die Franzosen sind ja alle so galant.»

Auch «la drague» ist in Frankreich deutlich aggressiver als in Deutschland oder in der Schweiz. Das sind Themen, die immer im Raum standen, über die aber niemand gesprochen hat. Es gut, dass man endlich darüber spricht.

Woher kommt es, dass die Gräben in Frankreich dermassen tief sind bezüglich der Debatte über sexuellen Belästigung?

Vielleicht weil die Wunden so tief sind. Frankreich ist eine zutiefst patriarchale Gesellschaft. In der Politik agieren fast nur Männer. Die, die in den Unternehmen Macht haben, sind hauptsächlich auch Männer.

Es gibt erfolgreiche Frauen, aber letztlich sind die Männer die Mächtigen. In der #MeToo-Debatte geht es ja nicht um Sexualität in ihrer reinen Form, sondern um Macht, Ohnmacht und Abhängigkeiten. In Frankreich ziehen sich diese Themen durch die Gesellschaft hindurch.

Das Gespräch führte Katharina Mutz.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 11.1.18, 07:50 Uhr

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