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Militär einmal anders «Frau Hauptmann» trifft «Herrn Divisionär»

Esther Niffenegger ist eine der wenigen Offizierinnen der Armee, Willy Brülisauer einer der wenigen Zwei-Sterne-Generäle. Mit ihnen übers Militär zu sprechen, ist alles andere als langweilig.

Da sitzen sich ein kräftiger Mann um die 50 und eine zierliche Frau Mitte 30 gegenüber – sie in Zivilkleidung, er in der Uniform mit zwei Sternchen am Revers – und unterhalten sich bestens. Übers Militär.

Langweilig? Mitnichten, denn «Frau Hauptmann» und «Herr Divisionär», respektive Esther Niffenegger und Willy Brülisauer, gehören beide – salopp ausgedrückt – zu einer ganz seltenen Spezies in der Schweiz: Brülisauer als Berufsoffizier auf der Höhe eines Zwei-Sterne-Generals, Niffenegger als Milizoffizierin in einer Armee, deren Frauenanteil gerade mal bei einem Prozent liegt.

Er kontert das Klischee

Exoten? Er sei das schon irgendwie, schmunzelt Willy Brülisauer:

«Wenn ich Zivil trage und gefragt werde, was ich bin, sind die Leute komplett überrascht. Einen General stellen sie sich anders vor: viel älter, strenger, autoritärer.»

Zwei Männer in dunkelgrauem Uniform-Mantel stehen nebeneinander, einer zückt seinen Hut.
Legende: Kein «Militärkopf»: Willy Brülisauer (rechts) als Ehrengast an der Landsgemeinde Glarus. Keystone/Samuel Trümpi

Angesichts dieses zwar selbstbewussten, aber humorvollen und offenen Mannes am Tisch zerbröselt das Klischee des auf dem Exerzierfeld herumbrüllenden «Militärkopfes».

Sinn geben statt anbrüllen

«Wenn nicht gerade eine Bombe fällt, versteht mich mein Gegenüber in der Regel auch ohne Gebrüll», sagt Brülisauer und erzählt, wie sich das Militär in den letzten Jahren doch sehr gewandelt hat.

Gerade was die Führung von Menschen betrifft, die aus allen Bevölkerungsteilen stammen und nicht unbedingt einsehen, warum Disziplin bis zur Zahnbürste verlangt wird. Oder warum sie bei Anlässen wie dem Weltwirtschaftsforum in Davos bei 20 Grad minus Wache schieben sollen.

«Früher wurde nichts erklärt. Man machte die Dinge einfach, wie man sie schon immer gemacht hatte. Heute geht das nicht mehr. Wir erklären vieles. Erst wenn die jungen Soldaten den Sinn erkennen, machen sie auch mit.»

Als Frau beim Militär: «Es war hart»

Hauptmann Esther Niffenegger hat sich Divisionär Brülisauer als Gegenüber für dieses Gespräch gewünscht: «Er ist für mich als Führungsfigur ein absolutes Vorbild.»

Sie weiss, wovon sie spricht, denn sie gehört selbst zum militärischen Kader. Ihr Einstieg bei den Kampftruppen war kein leichter: «Ich war die erste Frau und mein damaliger militärischer Vorgesetzter war überhaupt nicht erfreut.»

Esther Niffenegger im Porträt mit Mütze.
Legende: Esther Niffenegger will als Frau im Militär keinen Sonderstatus. Video Meier

Die anfängliche Ablehnung hat sie angestachelt: «Mein Ehrgeiz spornte mich an, bei allen Übungen immer unter den ersten 30 zu sein.» Als Langstreckenläuferin konnte die zierliche Frau auch sportlich vorne mithalten. «Das war hart. Ich kam an meine Grenzen – wie die Männer auch. Das verbindet.»

Sie will Hauptmann heissen

Frau Hauptmann Niffenegger – die auf keinen Fall als «Frau Hauptmännin» oder, noch absurder, als «Frau Hauptfrau» angesprochen werden möchte – will im Militär kein Sonderfall sein.

Und ist es doch: Im Gegensatz zu Schweden, wo die Soldatinnen Schlafräume und Duschen mit den Soldaten teilen, erhält Esther Niffenegger in der Regel ein separates Zimmer.

«Mit dem Resultat, dass ich am Anfang regelmässig in der falschen Uniform auf dem Platz erschienen bin – weil es kurzfristige Programmänderungen gab, die abends beim Zimmerverlesen kommuniziert wurden.»

Eine Frau salutiert vor einer Schweizer Flagge
Legende: Noch immer die Ausnahme: eine Frau im Schweizer Militär. Keystone

Kein Verstecken möglich

An ihrem letzten Diensttag fragte Divisionär Brülisauer, den sie nicht persönlich kannte, ob sie bei ihm Kanzleichefin werden wolle: «Ich spürte eine grosse Wertschätzung meiner Leistung gegenüber, wie ich sie an meinem zivilen Arbeitsplatz bis zu dem Punkt nicht erfahren hatte.»

Sie, die inzwischen auch im zivilen Leben ein Team von 50 Personen leitet, sagt von sich, sie habe im Militär enorm viel gelernt. Auch, dass man sich hier als Kader weit weniger aus der Verantwortung schleichen kann als in der Privatwirtschaft. Wer dort einen Fehler macht, könne einfach die Firma wechseln. Der neue Arbeitgeber wird selten erfahren, was vorher schiefgelaufen ist.

Anders beim Militär: Es gibt nur eine Armee, und der Personenkreis des Kaders ist klein. «Man trifft sich also immer wieder. Jeder weiss vom anderen, da kann man sich nicht verstecken.»

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