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Minenfeld Gendersternchen Eine kurze Geschichte der gendergerechten Sprache

Von der MieterIn, über die Chef*in, bis hin zur Verkäufer:in: Die gendergerechte Sprache hat viele Gesichter – und stösst in jeder Form auf Widerstand. Wieso?

Begonnen hat alles in den 1960er-Jahren mit dem Schrägstrich: Feministinnen verwendeten ihn, um Frauen in der Sprache sichtbar zu machen. Aus den Lehrern wurden Lehrer/innen. Das generische Maskulinum war der frühen Frauenbewegung ein Dorn im Auge.

Aber bereits diese erste Gender-Variante stiess auf Widerstand. Auch unter Feministinnen: Sie kritisierten die Unterordnung der Frau durch das nebensächliche Mit-Gemeint-Werden. Die Frau sollte mehr als ein Anhang sein.

Ab den späten 1970er-Jahren boomte die Feministische Linguistik und das Konzept der geschlechtergerechten Sprache. Es folgten verschiedene Richtlinien von diversen Ämtern und Institutionen – unter anderem 1987 der « Guide to Non-Sexist Language » der UNO. Die geschlechtergerechte Sprache war besonders in universitären Kreisen beliebt, aber längst nicht Mainstream.

Binnen-I statt Schrägstrich

Die nächste Gender-Variante erfand ein Journalist: Christoph Busch verwendete im Jahr 1981 erstmals das Binnen-I als eine Verkürzung der Schreibweise mit Schrägstrich. So wurden aus Hörer/-innen HörerInnen.

Doch auch das Binnen-I ist nicht unumstritten – ignoriert es doch die geschlechtliche Vielfalt ausserhalb des Mann-Frau-Schemas. Oft wird es als Eingriff ins Wort und damit als Sprachverhunzung abgetan. Der Duden erwähnte 2020 das Binnen-I mit dem Vermerk « vom amtlichen Regelwerk nicht abgedeckt ».

Mehr als Mann und Frau: Gender-Gap

Mit der Verwendung des Gender-Gaps (z.B. Arbeiter_in) kritisierte 2003 Steffen Kitty Hermann in ihrem Artikel « Performing the Gap » die bisherigen binären Genderschreibweisen. Der Unterstrich (später erst Gender-Gap genannt) soll auch die Menschen miteinschliessen, die sich weder als Frau noch als Mann definieren und bisher strukturell und sprachlich unsichtbar waren.

Die Schreibweise wurde vor allem in queer-feministischen Kreisen verwendet, schaffte es aber nie, sich in der breiten Öffentlichkeit durchzusetzen.

Bringt der Stern die Erleuchtung?

In der breiten Öffentlichkeit heftig diskutiert, wird der Genderstern*. Dieser stammt eigentlich von Suchmaschinen. Er wird auf Computersystemen als Platzhalter für eine beliebige Zeichenkette verwendet – ähnlich wie bei einer Fussnote. Mit dem Genderstern können also Bezeichnungen wie transsexuell, Transmann oder Transfrau mit trans* zusammengefasst werden.

Die früheste Nutzung des Sternchens als Bestandteil eines Wortes findet sich in den 1990er-Jahren in englischsprachigen  LGBT -Communities, bekannt als  trans asterisk  oder  trans star .

In der Schweiz erregte der Stern ab August 2016 grössere Aufmerksamkeit, als die Schweizer SP-Frauen in einem Schreiben bekannt gaben, man werde sich künftig mit einem Genderstern schreiben, um so für die «Befreiung aller Sexualitäten und Gender-Identitäten einzustehen».

Doppelpunkt, der bessere Stern?

Als Alternative für den Gender-Gap oder das Sternchen wurde besonders in den letzten Jahren der Doppelpunkt immer beliebter (Student:in). Diese Schreibweise wird von Screen-Readern für Seheingeschränkte oder Blinde als kurze Pause gelesen und gilt damit als inklusiver.

Die Schreibweise ist deshalb besonders bei Behörden und in Institutionen verbreitet. Woher der Doppelpunkt als Genderschreibweise stammt, ist nicht genau bekannt.

Das generische Maskulinum ist tot

Ob der Gender-Doppelpunkt seinen Siegeszug antreten wird, ist noch unklar. Ein Wendepunkt lässt sich aber schon jetzt ausmachen: Vor wenigen Monaten hat der Duden in seinem Online-Wörterbuch das generische Maskulinum abgeschafft. «Die Leser» meint nun also nur noch Männer. Sind auch Frauen angesprochen, werden sie explizit als «Leserinnen» genannt.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, 100 Sekunden Wissen, 19.05.2021

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