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Josef Haslinger: «Mein Fall»
Aus Kontext vom 16.03.2020. Bild: Keystone / ARNO BALZARINI
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Missbrauch im Kloster Nach dem Tischtennis wurde der Pater übergriffig

Der Schriftsteller Josef Haslinger, einst Sängerknabe im niederösterreichischen Stift Zwettl, wurde als Bub von drei Lehrern sexuell missbraucht. In einem neuen Buch rechnet er mit seinen Peinigern ab.

Die Zisterzienser-Patres des Stiftes Zwett in Niederösterreich haben alles getan, um den ihnen anvertrauten Kindern das Leben zur Hölle zu machen. Von ihnen wollte sich Josef Haslinger, in den 1960er-Jahren ein von tiefer, idealistischer Frömmigkeit erfüllter Bauernbub, zum Sängerknaben und Priester ausbilden lassen.

Ohrfeigen und Stockschläge

Er sei damals ein folgsamer Knabe gewesen, erinnert sich der Schriftsteller heute, auch wenn ihn manche für einen «Strick», einen Lausbuben, gehalten hätten. Gewalt sei im Konvikt gang und gäbe gewesen, so Haslinger.

Vor allem der damalige Präfekt, ein Pater namens Bruno Schneider, habe sich als unermüdlicher Prügler und Kindesmalträtierer hervorgetan. Schneider habe die Buben mithilfe von Stockschlägen und Ohrfeigen, aber auch mit folterähnlichen Praktiken, gefügig gemacht.

Kaugummis als Köder

Dabei blieb es nicht. In nüchternem, betont sachlichem Stil schildert Josef Haslinger in seinem Buch, wie er von drei Lehrern sexuell missbraucht worden ist.

Haslinger nennt erstmals auch die Klarnamen der Täter: Pater Gottfried Eder, Pater Maurus König und Viktor Adolf, der einstige Stiftsorganist der Zisterzienser-Abtei. Sie alle hätten sich an ihm und anderen Zöglingen vergangen, berichtet der Autor in seinem Buch.

Porträt Josef Haslinger
Legende: «Ich war nicht in der Lage, dem irgendeinen Widerstand entgegenzusetzen», sagt Josef Haslinger heute zu den Übergriffen durch die Mönche. imago images / Reiner Zensen

Pater Gottfried sei der Erste gewesen. Der stets «etwas süsslich» wirkende Zisterzienser habe ausgenützt, dass sich der zehnjährige Josef in den ersten Monaten im Internat einsam und ausgesetzt gefühlt hat und von seinen Mitschülern gemobbt und gehänselt wurde.

«Pater Gottfried hat mir kleine Geschenke gebracht, wenn er zur Abendfreizeit kam und mich zum Tischtennisspielen einlud. In der Regel waren es Kleinigkeiten, ein Apfel, eine Orange oder ein Bazooka-Kaugummi mit Abziehbildern», erzählt Josef Haslinger.

«Pater Gottfried war mein Religionslehrer, das war mit ein Grund, warum ich ihn als umfassende Autorität gesehen habe. Als er begann, seinen Körper an mich zu drücken und körperlichen Kontakt zu suchen, war das für mich völlig undurchschaubar. Der körperliche Kontakt begann dann schnell eine erotisch-sexuelle Dimension zu bekommen. Ich war nicht in der Lage, dem irgendeinen Widerstand entgegenzusetzen. Auf der anderen Seite war ich natürlich glücklich und froh, dass es unter den Lehrern jemanden gab, dem ich etwas bedeutete, dem ich alles sagen konnte, der mich tröstete.»

Drei Mal vor der Opferschutzkommission

Es habe Jahrzehnte gedauert, bis er sich seinen Missbrauchserfahrungen habe stellen können, ohne zugleich das Gefühl zu haben, die einstigen Täter in Schutz nehmen zu müssen, erklärt Josef Haslinger. Heute, da die Beteiligten tot seien, sei es ihm endlich möglich, sich dem Thema ohne falsche Rücksichtnahme zu stellen.

Buchhinweis

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Josef Haslinger: «Mein Fall». Frankfurt am Main, S. Fischer.

Der Schriftsteller hat zuletzt auch einen Schritt gewagt, vor dem er lange Zeit zurückgeschreckt war: Dreimal hat Haslinger in den letzten Monaten vor der «Unabhängigen Opferschutzkommission» der österreichischen Bischofskonferenz, der sogenannten «Klasnic-Kommission», ausgesagt.

Am 21. Januar 2020, rechtzeitig zum Erscheinen des Buchs, wurde dem Schriftsteller von der österreichischen Opferschutzkommission eine Entschädigung von 10’000 Euro zugesprochen – eine Höhe, die knapp über der untersten Entschädigungsstufe liegt.

Eine Entscheidung, die der Schriftsteller «zur Kenntnis» nimmt: «Für die zweite Stufe, für die 15’000 Euro vorgesehen sind, bin ich wohl zu wenig traktiert worden.»

Keine Reaktion der Mönche

Aus Stift Zwettl, einer Tochtergründung des Stiftes Heiligenkreuz bei Wien, hat bisher noch niemand Kontakt mit dem Schriftsteller aufgenommen. «Aus Zwettl gibt es bis jetzt keine Reaktion, während mir der Abt von Heiligenkreuz, wo Pater Gottfried auch gewirkt hat, geschrieben und mich um Verzeihung gebeten hat. Aber aus Zwettl: keine Reaktion bisher.»

Gut denkbar, dass sich das mit dem Erscheinen von «Mein Fall» demnächst ändern wird.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 17.3.2020, 9:03 Uhr

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