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Gesellschaft & Religion Mit schwarzen Brillen und schwarzem Humor gegen Thailands Politik

Bruder, Schwester und Schwager machen sich im Netz über Politiker lustig – und erreichen damit hunderttausende Zuschauer. Im Fernsehen ist das undenkbar: In Thailand herrscht das Militär. Und die Zensur.

Rosie Wongsurawat sitzt im Studio hinter ihrem Laptop und scrollt durch einen Text. Es sind thailändische Schriftzeichen – der Dialog für ihren Bruder und ihren Ehemann. Winyu Wongsurawat und Nattapong Tiendee sind derzeit Thailands bekannteste Satiriker. Die beiden sitzen auf der anderen Seite des Studios, schreien, lachen und gestikulieren wild in die Kameras.

Willkommen bei «Shallow News, In Depth» – auf deutsch «Seichte Nachrichten, vertieft». Nach dem Vorbild der bekannten US-amerikanischen Satire-Nachrichten «The Daily Show» machen sich die thailändischen Komiker in einer Internetsendung über das Establishment ihres Landes lustig.

Thailand hat Satire bitter nötig

Online-Satire-Programme aus Ägypten und dem Iran haben sie sehr beeindruckt, sagt die Produzentin Rosie Wongsurawat. Auch Thailand habe ein solches Programm bitter nötig, findet ihr Bruder und Moderator Winyu Wongsurawat. Gewaltsame Ausschreitungen, Korruption und tiefe Gräben zwischen Rot- und Gelbhemden: Für Thailands erste Satire-Show sind das alles dankbare Themen.

So waren die monatelangen Demonstrationen gegen die vorherige Regierung Thema der Sendung. Die drei überspitzten etwa die Bedeutung der Verkehrskegel, mit denen die Demonstranten Strassen blockierten. «Sie verteidigten die Verkehrskegel wie Heiligtümer, die niemand auch nur anfassen durfte», so Nattapong Tiendee. Die zwei Moderatoren stellten schliesslich die Verkehrskegel als heilige Phallus-Symbole dar.

In der aktuellen Aufzeichnung machen sich die beiden Moderatoren über Reis-Subventionen der geschassten Premierministerin lustig. Und über Finanzskandale aus den 1990er-Jahren. Deren Aufarbeitung kommt auch unter der neuen Regierung kaum voran.

Pause nach Armeeputsch

Wirklich Angst hätten sie nur vor dem Militär, erklärt Rosie Wongsurawat. Wenige Monate vor dem Coup im Mai 2014, als die Armee in Bangkok einmarschierte und Armeechef Prayuth Chan-ocha die Regierung übernahm, führten die Moderatoren noch einen Tanz auf, um der Armee zu danken – dafür, dass sie bisher nicht geputscht hatte. «Da wurde uns von Freunden geraten, erst einmal nicht zu senden», so die Produzentin. Ein Monat lang war Funkstille, erst als ein neues Kabinett gebildet wurde, ging «Shallow News, In Depth» wieder auf Sendung.

Trotz der Angst lassen sich die drei von niemanden einschüchtern: Vor ihren schnellen Wortspielen und schlüpfrigen Andeutungen ist kein Politiker sicher. Die Regierung ist bisher nicht eingeschritten. «Wir profitieren sicher auch davon, dass wir alle gleichermassen attackieren», erklärt Rosie Wongsurawat die Zurückhaltung seitens der Politik.

Im thailändischen Fernsehen wäre die Sendung jedoch undenkbar. Dort sei die Zensur strenger, so die Produzentin. «Online dagegen sind wir ziemlich frei und können so lustig oder vulgär sein wie wir wollen.»

Ernste Nachrichten, lustig präsentiert

Das Markenzeichen der Show sind die schwarzen Sonnenbrillen, die sich die zwei Moderatoren aufsetzen. «Dahinter verstecken wir unsere Emotionen», erklärt Winyu Wongsurawat. Das Publikum könne sich dann besser auf die Nachrichten konzentrieren. Ausserdem wirkten sie so wie Comicfiguren, die ernste Nachrichten lustig präsentierten.

Dazu passen auch die vielen Ton- und Bildeffekte, die im gefühlten Sekundentakt eingeblendet werden. Gegen die rasend schnelle «Shallow News, In Depth» wirken die «Heute Show» oder «Giacobbo/Müller» schon fast bedächtig. «Am Anfang hatten wir nur eine Kamera», erinnert sich Rosie Wongsurawat. Deshalb gab es viele sprunghafte Schnitte. Bevor die Crew im Oktober in ein professionelles Studio einzog, produzierte sie die Sendung einfach vor einer weissen Wand. Mit Soundeffekten und eingeblendeten Bildern habe man die Sendung günstig aufpeppen können. Ihrem Stil sind die drei trotz neuem Studio treu geblieben.

Menschen sind der Politik überdrüssig

Die einzelnen Ausgaben werden online inzwischen von Hunderttausenden von Zuschauern verfolgt. Dennoch sei politische Satire immer noch eine Nische in Thailand, sagt Winyu Wongsurawat. Die Menschen seien der Politik überdrüssig, kaum jemand habe Lust, darüber zu diskutieren.

«Wir sehen uns auch ein wenig als Medizin, die von Zuckerguss umhüllt ist», sagt Nattapong Tiendee. Das thailändische Publikum werde so auf unterhaltsame Weise informiert. Schlussendlich gehe es um Nachrichten, pflichtet ihm Winyu Wongsurawat bei. «Wir vergleichen schliesslich einfach die Aussagen der Politiker mit ihren Taten».

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 16.12.2014, 17:20 Uhr.

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