- Der scheinbar stille Jazzmusiker Charlie Haden hatte immer eine klare politische Haltung.
- Portugal unter der Diktatur des Estado Novo ist ihm zuwider.
- Haden nutzt das Konzert 1971 in Portugal als politische Bühne, das gibt Ärger.
Portugal heisst für ihn Diktatur nicht Algarve
Charlie Haden kommt aus Shenandoah, Iowa, aus dem tiefsten Mittleren Westen der Vereinigten Staaten, und er hat einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Seine eigene Band ist das Liberation Music Orchestra mit dem er Revolutionslieder und schmachtende Hymnen für lateinamerikanische Befreiungsbewegungen spielt.
Haden reist im November 1971 mit einem ganz schlechten Gefühl nach Portugal, bei dessen Erwähnung er ganz und gar nicht an Strandferien an der Algarve denkt. Portugal steht unter der Diktatur des Estado Novo und führt in den afrikanischen Kolonien Mosambik, Guinea-Bissau und Angola blutige Kriege gegen die Befreiungsbewegungen der unterdrückten schwarzen Bevölkerung.
Der Bandleader, Altsaxophonist und Freejazz-Pionier Ornette Coleman muss ihn regelrecht überreden, ihn zu begleiten. Zudem geht der Bassvirtuose gerade jetzt sehr ungern von zu Hause weg, da seine Frau vor kurzem Drillinge zur Welt gebracht hat. Der Bandleader Ornette Coleman, Altsaxophonist und Freejazz-Pionier, muss ihn regelrecht überreden, mitzukommen
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Die ganz grosse Bühne
Das Festival in Cascais ist aber eine grosse Sache. Es ist das erste internationale Jazz Festival in Portugal, und präsentiert am 20. November 1971 Jazzstars wie Miles Davis, Dexter Gordon, Thelonious Monk und Ornette Coleman.
Und mittendrin in diesem Trubel steht Charlie Haden und ist zugleich völlig enthusiastisch, Teil dieses Staraufgebots zu sein, aber auch ganz bewegt von den politischen Umständen in diesem Land.
Ornette Coleman weiss, was er an Haden hat. Die beiden spielen seit 1959 zusammen, und der Bassist ist mit seinem wuchtigen und zugleich melodischen Fundament ein zentrales Element in Colemans Musik. Deshalb lässt er seinen Sideman auch mal für eine Ansage ans Mikrophon.
Und diesen Moment nützt Charlie Haden zum Statement: «Ich widme dieses Lied der Befreiungsbewegung der Schwarzen in Mosambik, Guinea-Bissau und Angola.»
Nach «Mosambik» bricht das Publikum in Schreie und tosenden Applaus aus. Die folgenden Worte und auch der Song gehen im Lärm völlig unter.
Zwei Tage im Militärknast
Nach dem Auftritt gratulieren ihm viele Musikerkollegen enthusiastisch. Weniger enthusiastisch ist hingegen der portugiesische Geheimdienst. Charlie Haden wird beim Einstieg ins Flugzeug, das ihn ausser Landes bringen soll, verhaftet und ins Militärgefängnis gebracht. Die Band von Ornette Coleman wird gezwungen, ohne ihn abzureisen.
Nach zwei endlosen Tagen, in denen er glaubt, seine Familie nie wieder zu sehen, wird er in einen Verhörraum geführt, wo man ihn zunächst befragt, und schliesslich bedeutet: «Sie haben Glück, aber sie sollten Musik und Politik nicht miteinander vermischen».
Der amerikanische Kulturattaché hatte sich für Charlie Haden eingesetzt, und so womöglich eine ernsthafte politische Krise verhindert.