- Ihre erste Begegnung wäre fast katastrophal schief gegangen.
- Als sie zum ersten Mal zusammen spielen, sind sie so betrunken, dass sie «spielen wie Schweine.»
- Es wird eine Freundschaft, die ein Leben lang hält und erst auf dem Sterbebett endet.
Britten und Rostropovich – ein Dream Team
Der Moment ist historisch, schon für die Anwesenden. Die Probe findet vor einem kleinen, ausgesuchten Publikum statt, jemand fotografiert sogar. Denn Benjamin Britten hat ein neues Kammermusikwerk geschrieben, für den Cellisten, den er im Jahr zuvor in der Royal Festival Hall in London kennen gelernt hatte: Mstislav Rostropovich.
Der Funke sprang schon damals, während des Konzerts. Es war ein besonderer Abend in der Royal Festival Hall in London am 21. September 1960. Das Tauwetter in der Sowjetunion erlaubte, dass sowjetische Orchester in den Westen reisten.
Im Gepäck hatte der 23jährige Starsolist Rostropovich Musik von Dmitri Shostakovich - das Cellokonzert Nr.1. Und im Publikum sassen zwei Komponisten aus West und Ost nebeneinander.
Benjamin Britten schätzte Dmitri Schostakovich. Und er war begeistert von der Musik, versetzte seinem Nachbarn aus der Sowjetunion immer wieder Rippenstösse, so hingerissen war er auch vom Spiel des Solisten, dem Shostakovich das Konzert gewidmet hatte. Brittens Begeisterung war der Beginn einer lebenslangen Freundschaft. Dabei hätte es auch schief gehen können.
Fast wäre alles schief gegangen
Denn nach dem Konzert werden Komponist und Cellist einander vorgestellt. Der junge Mann aus der Sowjetunion aber hat praktisch keine Ahnung von Brittens Musik. Nur ein Stück ist ihm ein Begriff – Brittens «A Young Person’s Guide to the Orchestra».
Dieses variiert ein Thema von Henry Purcell aus längst vergangener Zeit. Rostropovich, in der Annahme jemand mache einen Witz und stelle ihm den Geist eines verstorbenen Komponisten vor, dreht sich auf die Worte «das ist der berühmte Komponist Benjamin Britten» laut lachend um. Peinlich.
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Seine Verwirrung überspielt der gewandte und humorvolle Slava (wie ihn seine Freunde nennen) schnell und sagt das, was er zu jedem Komponisten sagt: «Sie müssen etwas für Violoncello komponieren! Schreiben sie etwas für mich!»
Britten findet das erfrischend hemmungslos, und sagt auf der Stelle zu. Das Ergebnis ist die Sonate für Violoncello und Klavier, mit der Britten sich neues Terrain erarbeitet.
Ein Jahr später kommt man wieder zusammen. Die Uraufführung muss geprobt werden – und bevor sich Benjamin Britten ans Klavier setzt und Rostropovich sein Cello zur Hand nimmt, bekämpfen sie ihre Nervosität gemeinsam mit ein paar grossen Whiskies. «Wir spielten wie Schweine», erinnert sich Britten später an die allererste Probe «aber wir waren so glücklich».
Der eine versteht kein Russisch, der andere redet kein Englisch
Also machen sie gemeinsam Musik und verständigen sich in gebrochenem Deutsch. Die Freundschaft zwischen Benjamin Britten und Mstislav Rostropovich bleibt eine Brücke über den Eisernen Vorhang hinweg.
Auch die Verbindung zum geschätzten und verehrten Kollegen Shostakovich läuft teilweise über den Boten Rostropovich, der Briefe hin und her bringt. Britten komponiert eine Cello-Sinfonie, plant sogar sechs Cello-Solosuiten für seinen Freund Slava, von denen er noch drei fertig stellen kann.
Ihre Freundschaft vertieft sich in den 1970er-Jahren noch durch die bittere Ausbürgerung des sowjetischen Cellisten und die schwere Krankheit des Komponisten. Rostropovich, der jüngere von beiden, betrachtet «Benjik» als seinen kleinen Bruder. Er überlebt seinen britischen Freund um rund drei Jahrzehnte.
Die Arpeggione-Sonate von Franz Schubert hat Mstislav Rostropovich später nicht mehr mit anderen Pianisten zusammen gespielt. «Niemand spielt Schubert wie er. So ein einfühlsamer und perfekter Partner. Das lässt sich nicht wiederholen», sagte er. Noch auf dem Sterbebett, so berichtet seine Tochter, hat er sich die Aufnahme wieder angehört.