- Francis Matthey ist der einzige gewählte Bundesrat, der zugunsten des anderen Geschlechts auf sein Amt verzichtete.
- Er sei «der richtige Mann zur falschen Zeit gewesen», titelte die «Berner Zeitung».
- Nur kurz stand Francis Matthey im nationalen Scheinwerferlicht. Seine Laufbahn endete damit jedoch nicht.
Francis Matthey wird zum 100. Bundesrat gewählt
Am 3. März 1993 wählte die Vereinigte Bundesversammlung den Neuenburger SP-Nationalrat Francis Matthey zum Nachfolger von Bundesrat René Felber und damit zum 100. Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft.
Offizielle Kandidatin der Partei war jedoch Christiane Brunner, Gewerkschafterin und Nationalrätin aus Genf. Matthey verhielt sich loyal gegenüber der Fraktion und der Partei. Statt die Wahl anzunehmen, bat er das Parlament um eine Woche Bedenkzeit.
«Ich muss meine Wahl in den Bundesrat ablehnen»
Nun schlug die Partei zwei Kandidatinnen vor: Brunner und die Genfer Gewerkschafterin Ruth Dreifuss. Diese wurde am 10. März 1993 gewählt, nachdem Matthey, der «zielstrebige Pragmatiker aus dem Jura» (NZZ) auf die Wahl verzichtet hatte.
«Ich muss meine Wahl in den Bundesrat ablehnen», erklärte er zu Beginn einer achtminütigen Rede. Er wies unter anderem darauf hin, dass zu Beginn der parteiinternen Kandidatenauswahl das Geschlecht keine Rolle gespielt habe, und er bat die Vereinigte Bundesversammlung, «eine der Kandidatinnen zu wählen, die die Sozialdemokratische Partei heute vorschlägt».
Von diesem Tag, dem 10. März 1993, stammt diese Fotografie. Mattheys Rede ist verklungen, Dreifuss‘ Wahl im dritten Wahlgang erfolgt. Das Interesse der Medienmaschinerie ist bereits weitergewandert, die Fotografen wenden dem Beinahe-Bundesrat den Rücken zu. Sie haben sich im Bild-Hintergrund frisch formiert und zielen auf ein neues Objekt, höchst wahrscheinlich auf Ruth Dreifuss, die bis 2002 dem Departement des Innern vorstehen sollte.
«Der richtige Mann zur falschen Zeit»
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Ein einziger Fotograf jedoch hat den prinzipientreuen Neuenburger noch im Blick. Francis Matthey, der soeben auf die höchste Ehre verzichtet hat, die einem Schweizer Politiker zuteil werden kann, steht mitten im Raum, aber abseits vom Brennpunkt.
Stützt er die Hand ins Kreuz oder zieht er hinten die Hose hoch? Er hebt die Augenbrauen, runzelt die Stirn und blickt in die Ferne, vielleicht zur Tür. Er wirkt, als würde er am liebsten den Saal verlassen und in Ruhe irgendwo einen Kaffee trinken gehen.
Der Zeitgeist jener Jahre verlangte – vier Jahre nach dem Rücktritt von Elisabeth Kopp – endlich wieder nach einer Bundesrätin. Matthey machte den Weg dafür frei. Er sei «der richtige Mann zur falschen Zeit» gewesen und Christiane Brunner die «falsche Frau zur richtigen Zeit», titelte tags darauf die «Berner Zeitung».
Das Leben nach dem Rücktritt
Nur kurz stand Francis Matthey im nationalen Scheinwerferlicht. Seine Laufbahn endete jedoch nicht, als er wieder daraus verschwand. Im Nationalrat blieb er bis Dezember 1995, parallel dazu gehörte er bis 2001 der Neuenburger Kantonsregierung an.
Er präsidierte das Organisationskomitee der «Expo 02», die zwischen Yverdon-Les-Bains und Biel stattfand, und stand bis 2011 der Eidgenössischen Kommission für Migrationsfragen vor.
Er ist eine historische Figur: der einzige gewählte Bundesrat, der aus Gendergründen darauf verzichtete, sein Amt anzutreten.