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Moslem und homosexuell «Ich betete dafür, dass mich Gott ‹normal› macht»

Geboren und aufgewachsen in Istanbul, konnte Taner Tanyeri mit niemandem über seine Homosexualität sprechen. Bis zu seiner Flucht in die Schweiz.

Ein Gespräch über ein Leben auf der Flucht: aus einem Land und vor sich selbst.

Taner Tanyeri

Sozialarbeiter

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Taner Tanyeri ist 41 Jahre alt. Er wurde in Istanbul geboren und ist dort aufgewachsen. Wegen seiner sozialistischen Gesinnung musste er zweimal im Gefängnis, wo er gefoltert wurde und in den Hungerstreik ging.

Als politischer Flüchtling kam Taner Tanyeri in die Schweiz. Hier arbeitete er als interkultureller Dolmetscher und schloss seinen Bachelor in Sozialer Arbeit mit der Abschlussarbeit «Homosexualität im Islam» an der Hochschule für Soziale Arbeit in Basel ab.

Heute arbeitet er als Sozialarbeiter beim Kinder- und Jugendhilfezentren und ist Volontär bei «Queer Amnesty».

Wie war es als Homosexueller in der Türkei aufzuwachsen?

Als Kind glaubte ich an Gott. Ich merkte recht früh, dass ich anders bin als die anderen Kinder. Oft sass ich weinend da und betete dafür, dass mich Gott «normal» macht.

Ich dachte auch daran, zu einem Psychologen zu gehen, der mich «heilen» könnte. Aber ich hatte kein Geld, und meine Eltern konnte ich nicht fragen, denn sie wussten von nichts.

Als Alibi hatte ich eine Freundin. Zeitweise wollte ich auch versuchen, irgendwie hetero zu werden. Was nicht funktionierte.

Fanden Sie einen Ausweg?

Ich versuchte, vor mir selbst zu fliehen. Ich engagierte mich in einer sozialistischen Partei. Das half mir, meine Sexualität zu unterdrücken und für eine bessere Welt zu kämpfen.

Ich engagierte mich in einer sozialistischen Partei. Das half mir, meine Sexualität zu unterdrücken.

Waren Sie wegen Ihrer Homosexualität in der Türkei Repressalien ausgesetzt?

Niemand wusste davon. Es gab keine direkten Repressionen, aber indirekt schon: Ich musste einen wichtigen Teil von mir verstecken.

Mir war bewusst, der Islam verbietet die Homosexualität. Gemäss der Lehrmeinung wird Gott mich bestrafen. Mir war klar, dass die Gesellschaft meine sexuelle Orientierung nicht tolerieren würde. Ich musste ein Doppelleben führen.

Hätten Sie sich früher oder später auch in der Türkei zur Homosexualität bekannt?

Ich weiss nicht, ob ich mich geoutet hätte, wenn ich in der Türkei geblieben wäre. Vielleicht hätte ich es geschafft, weil ich eine starke Persönlichkeit habe. Aber es gibt Tausende von Menschen dort, die mit dieser Unterdrückung leben müssen.

Stattdessen kamen sie in die Schweiz. Wie kam es dazu?

Aufgrund unserer politischen Aktivitäten war ich zweimal im Gefängnis. Zuerst für zwei Jahre. Zwei Monate nach meiner Entlassung wurde ich wieder inhaftiert, dieses Mal in Einzelhaft. Ich wurde gefoltert.

Ich selbst war 215 Tage im Hungerstreik.

Um gegen die Haftbedingungen zu protestieren, traten wir Gefangenen in einem Hungerstreik. Ich selbst war 215 Tage im Hungerstreik. Am Ende wurde ich aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen.

Um nicht wieder inhaftiert zu werden bin ich in die Schweiz geflohen.

War die Schweiz für Sie eine Erlösung?

Nicht gleich. Es war nicht einfach meine Parteigenossen zu verlassen. Zudem ging es mir gesundheitlich schlecht. Ich besuchte hier zwei Jahre eine Therapie im Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer.

Aber ich bin jemand, der seine Geschichte schnell verarbeiten kann. Ich komme schnell mit meinen Problemen zurecht.

Erst nachdem mir das klar geworden ist, wurde das Leben in der Schweiz für mich zu einer Erlösung.

Das bedeutet?

Ich fühle mich nun wie neugeboren und konnte und kann mich auf alles einlassen: auf die Sprache, die Integration, auf eine Ausbildung als interkultureller Dolmetscher und Kulturvermittler, auf meinen Bachelor-Abschluss.

Heute fühle ich mich hier nicht in einem fremden Land. Die Schweiz ist meine Heimat.

Zum Abschluss: Welche Botschaft möchten Sie den Menschen mitgeben.

Der Heterosexismus nutzt alle Weltreligionen (also Judentum, Christentum und Islam) aus, um seine Ablehnung gegenüber der Homosexualität zu legitimieren.

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