- Luther gab vielen Zugang zu Bibel, aber nicht allen. Es gab viele Menschen, die nur ihren Dialekt verstanden.
- Luther orientierte sich an der Sprache der Sachsen. Adam Petri versuchte 1523 auch den Alemannen die Bibel zugänglich zu machen und lieferte ein Glossar.
- Erst in den 1990er-Jahren wurde die Mundart in grösseren Kreisen als Literatursprache entdeckt und geschätzt.
In früher Neuzeit war klar: Viele Leute verstanden kein Latein. Übersetzungen in die Sprache des Volkes ermöglichten Lesern und Vorlesern einen unmittelbaren Zugang zu biblischen Geschichten und Gebeten. Martin Luther hatte damit Erfolg. Seine Übersetzung setzte eine neue Norm.
Die Ausbreitung im grossen deutschen Sprachraum war aber nicht so einfach. Luthers Bibel war zwar verständlicher als die lateinischen. Trotzdem gab es noch immer viele, die Verständnisprobleme hatten. An eine gemeinsame Hochsprache zwischen Nordsee und Zermatt mussten sie sich zuerst gewöhnen.
Lutherdeutsch für Alemannen
«Luther hat den Leuten aufs Maul geschaut, dies aber vor allem in seinem sächsischen Umfeld.» Dies sagt der Baselbieter Kulturhistoriker Remigius Suter.
Er zeigt ein Glossar aus der Basler Luther-Bibel von Drucker Adam Petri aus dem Jahr 1523. Suter dazu: «Damit wollte Petri den Alemannen im Süden des deutschen Sprachraums Luthers mitteldeutsche Sprache erschliessen.» Er hat gemäss Untertitel «die außlendigen wörtter auff unser teutsch angezeygt».
Für sprachinteressierte Leute ist diese Liste eine Offenbarung. Viel Lutherdeutsches ist heute nämlich Normalform. Dafür sind einige alte Alemannischformen fremd und nicht mehr verständlich – Gleich (Knöchel), Bühel (Hügel), Gstad (Ufer) (siehe Tabelle). Auch Luthers Wortschöpfungen wie «erregen», «Morgenland», «Rüstzeug», «storrig» oder «Feuereifer» musste Petri in seinem Glossar erklären.
Mundart musste ihren Platz erarbeiten
«Volkssprache» sind in der Deutschschweiz unsere alemannischen Mundarten. Das hat die Baselbieter Bibelgesellschaft früh gemerkt. 1939 gab es eine erste Übersetzung der Weihnachtsgeschichte bei Lukas, die den Soldaten an die Front gebracht wurde. Dialekt half als Mittel gegen Heimweh.
Pfarrer Markus Christ ist Präsident dieser Bibelgesellschaft, die unter dem Titel «Der Guet Bricht» seither acht Teile der Bibel auf Baselbieterdeutsch herausgegeben hat.
Die Bibel wird gemäss Christ auf eine kommunikative Art jeweils neu übersetzt und den aktuellen Lebensumständen und dem Weltwissen angepasst.
Die Übersetzer mussten im 20. Jahrhundert aber auch gegen allerlei Vorurteile kämpfen. Die Bibeln im Baselbiet wurden lange missachtet. Ein neues Testament in Wien galt 1971 als Skandal. Es hiess, «Da Jesus und seine Hawara» (Jesus und seine Kumpel) von Wolfgang Teuschl sei pietätlos.
Mündliche Sprache in der Bibel
Erst in den 1990er-Jahren wurde die Mundart in grösseren Kreisen als Literatursprache entdeckt und geschätzt. Langjährige Bibel-Übersetzungsprojekte wie im Baselbiet hatten nun einen Vorsprung.
Heute wird weitherum bestätigt: Mundart eignet sich sehr für Übersetzungen, weil die Bibel ja auch mündlich überliefert worden ist. So hat es die Berner Dialektsammlerin und Bibelübersetzerin Ruth Bietenhard (1920-2015) beschrieben.
Bibel besser verstehen
Markus Christ und Remigius Suter bestätigen die Vorteile in der Mundartsendung «Schnabelweid» : «Manchmal versteht man durch die Übersetzung in Mundart eine Bibelpassage erst richtig», erklärt Suter.
Heute spricht man gern und stolz über Bibelübersetzungen – und liest auch solche von anderen Dialektregionen.
Sendung: SRF 1, Schnabelweid, 21.12.2017. 21.03 Uhr.