- Das Museum of Sex öffnete 2002 in New York. Es zeigt Ausstellungen zur Geschichte, Entwicklung und kulturellen Bedeutung menschlicher Sexualität.
- Der Schweizer Serge Becker übernimmt neu die Leitung des Museums. Er lebt seit 35 Jahren in New York und ist als DJ und Club-Manager bekannt.
- Im Museum of Sex will er mit Ausstellungen, Podiumsdiskussionen, Apps und Partys einen Ort für Begegnung schaffen.
Es lasse sich alles unter dem Aspekt von Sexualität betrachten, findet Serge Becker. Und genau das möchte der gebürtige Schweizer als neuer Direktor im New Yorker Museum of Sex tun.
Mit Ausstellungen über Sexualität und Architektur, Sexualität und Geschlechternormen, Sex als physiologischer Prozess oder Sex mit Austern und Champagner, mit Podiumsdiskussionen, Apps und Partys: «Ich will einen Ort der Begegnung schaffen, ein Forum für intelligente Gespräche, die nirgendwo sonst geführt werden.»
Vom DJ zum Club-Manager
Becker lebt seit 35 Jahren in New York. Der «Bueb aus dem Aargauer Teufenthal» (Becker über Becker) hat einst in Zürich die Kunstgewerbeschule besucht, nachts Platten aufgelegt und dabei Kontakte zu DJ’s aus New York geknüpft.
Zu Beginn der 1980er-Jahre wagte er es zum ersten Mal selber über den Ozean, mit einer einzigen Telefonnummer in der Hosentasche und unklaren Plänen. Er blieb.
Er wurde zunächst DJ, dann Club-Manager und schuf sich nach und nach sein eigenes Imperium. Heute nennt man den 56-Jährigen hier «the Swiss Goldfinger», den Schweizer Goldfinger, weil er mit seinen Etablissements das Nachtleben dieser Stadt geprägt hat und nach wie vor erfolgreich mehrere Lokale betreibt.
Ausstellungen auf fünf Etagen
Im Lauf seiner Karriere hat Serge Becker einiges über das Verhältnis der Menschen zu Sexualität gelernt. «Verkrampft», lautet sein Urteil, besonders im Fall der Amerikaner. Die würden ständig zwischen Puritanismus und Exzess hin- und herschwanken.
Es empfiehlt sich, die Prüderie an der Kasse des Museum of Sex abzugeben. Im Augenblick sind auf fünf Etagen acht Ausstellungen zu sehen, darunter eine über das Liebesleben von Tieren, eine andere über die Geschichte der Pornografie und eine dritte mit expliziter Kunst von Frauen.
Frauen sind neugieriger und offener
In «NSFW: Female Gaze» («Nicht angemessen für Frauen: Weiblicher Blick») kann man sich in einem schwarzen Kämmerchen unter anderem ein Video anschauen, auf dem eine schwedische Künstlerin ihre Lustphantasien inszeniert.
Den vielen Besucherinnen nach zu urteilen sind Frauen in Sachen Sex neugieriger und offener. 70 Prozent des Publikums seien Frauen, bestätigt Becker. Und alle, die herkämen, ob weiblich, männlich oder etwas dazwischen, seien jung: «Ein Riesenvorteil. Andere Institutionen bemühen sich vergeblich darum.»
Tempel des An- und Auszüglichen
Apropos andere Institutionen: In Serge Beckers Büro hängen einige Darstellungen von Museen, die klein angefangen haben. Zum Beispiel das Metropolitan Museum, das heute zu den grössten und meistbesuchten der Welt zählt. Es existiert aber auch schon seit über 130 Jahren.
Das Museum of Sex wurde dagegen erst 2002 von einem Software-Millionär gegründet – an bester Adresse im Herzen Manhattans. Viele nahmen es wahr, aber eben nicht richtig ernst. Was sollte das sein? Ein Sexshop mit Ausstellungsfläche? Das Angebot im Museumsshop ist tatsächlich überwältigend. Ein Kicherkasten für Spätpubertierende?
Noch steht Serge Becker mit seiner Arbeit am Anfang. Doch wenn es ihm gelingt, seine Vorstellungen umzusetzen, dann wird New York bald über einen Tempel des An- und Auszüglichen verfügen, der Unterhaltung und Aufklärung in einem bietet.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktuell, 15.08.2017, 17.20 Uhr