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Musizieren gegen Corona Lässigkeit, die aus dem Lockdown kommt

Der Pianist Ephrem Lüchinger stellte während des Lockdowns täglich einen kurzen Track online. Daraus ist ein Album entstanden.

Der Beginn der Corona-Krise war auch für Ephrem Lüchinger eine emotionale und intensive Zeit. Erst war da die Angst um die Gesundheit seiner Familie und die eigene.

Doch mit der Zeit merkte Lüchinger: Irgendwie geht es. Diese Zeit hat auch ihre schönen Seiten. Man hat mehr Zeit für sich und die Familie.

Vermeintlich gutes Timing

Ephrem Lüchinger ist freiberuflicher Musiker, Komponist und Produzent. Kurz bevor der Lockdown das Leben in der Schweiz veränderte, stellt er noch eine Filmmusik für einen SWR-«Tatort» fertig.

Insofern war der Zeitpunkt gar nicht so schlecht. Es sei normal, sagt Lüchinger, dass er nach solch einem grösseren Projekt für einige Wochen wenig zu tun hat.

Doch Ephrem Lüchinger war auch sofort klar: Der Zeitpunkt für einen nächsten Auftrag ist völlig offen. Darum kamen zur emotionalen Achterbahnfahrt auch ökonomische Bedenken dazu.

Die Idee mit dem Abendritual

Die Idee zum Klaviertagebuch hatte er ganz spontan. Am Abend des 14. März bereitete Ephrem Lüchinger Spaghetti zu. Während das Wasser kochte, setzte er sich – im Wissen darum, dass ein längerer Lockdown drohte – ans Klavier, stellte sein Smartphone ein und spielte zwei Minuten lang.

Noch vor dem Essen lud er dann das Video in den sozialen Medien hoch. Schnell zeigte sich anhand der Reaktionen: Das melancholisch anmutende Stück berührte viele Menschen. Da war der Wunsch nach mehr.

«Die Luft muss raus»

Ephrem Lüchinger kanalisiert von da an seine täglichen Stimmungen in sein «Klaviertagebuch», das jetzt als digitales Album erscheint.

Dazu schrieb er etwa: «28/03/20: Heute habe ich mir überlegt, ob die Krise auch eine Chance darstellt, um unsere Gesellschaft langfristig zum Bessern zu verändern. Der Geburtstag meiner beiden Kinder kam näher und ich habe mir ihre Zukunft versucht vorzustellen.

Was, wenn diese Krise nur der Anfang einer sehr turbulenten Zeit ist? Werden auch sie die Möglichkeit haben, eine so unbeschwerte Kindheit zu leben wie wir das hatten?»

«25/03/20: Heute war ich nach einem Telefonat mit der SVA echt sauer. Unbürokratische Hilfe habe ich mir definitiv anders vorgestellt. Ein bedingungsloses Grundeinkommen für ein halbes Jahr wäre einfacher und sicher billiger gewesen. Die Luft muss raus.»

Echt und ehrlich

Ephrem Lüchinger wollte bei seinem «Klaviertagebuch» alles Gekünstelte vermeiden. Zum Teil, sagt er, habe er beim Aufnehmen auch daneben gegriffen und die Stücke dann trotzdem hochgeladen.

Die Ehrlichkeit und Unmittelbarkeit, die in diesen Stücken steckt, erreichte immer mehr Menschen, die Videos zogen bald weitere Kreise.

Eines Tages wurde Ephrem Lüchinger sogar von einer Produktionsfirma kontaktiert, die eines seiner akustischen Tagebucheinträge für einen TV-Werbespot eines grossen Schweizer Detailhändlers verwenden wollte.

Ein grosser Auftrag, dank dem sich auch die finanziellen Sorgen von Ephrem Lüchinger ein Stück weit legten.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Musikmagazin, 11.7.2020, 10:03 Uhr

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