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Gesellschaft & Religion Netzfeministin Wizorek: «Ein Hashtag ist kein Allheilmittel»

Nach den sexuellen Übergriffen in Köln starten Feministinnen in Deutschland die Online-Kampagne #ausnahmslos. Sie wehren sich gegen sexuelle Gewalt und Rassismus. Die Resonanz ist riesig, vor allem auf Twitter. Die Mitinitiantin Anne Wizorek hofft, dass Betroffenen durch die Debatte geholfen wird.

Die Online-Kampagne #ausnahmslos ist eine Reaktion auf die Ereignisse an Silvester in Köln und die Debatte, die im Anschluss daran entbrannte Auf ihrer Website formulieren die Initiantinnen, wofür sie einstehen: «Gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus. Immer. Überall. Ausnahmslos.» Sexualisierte Gewalt dürfe nicht immer nur dann Thema sein, wenn die Täter die vermeintlich «Anderen» seien: die muslimischen, arabischen oder nordafrikanischen Männer.

Zur Person

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Anne Wizorek, geboren 1981, ist eine deutsche Medienberaterin und Netzfeministin. 2013 wurde sie durch ihre Twitter-Aktion #aufschrei bekannt. Sie stiess damit eine Debatte zum Thema Alltagssexismus an. Seit 2013 betreibt sie den Blog «kleinerdrei». Im September 2014 erschien ihr erstes Buch «Weil ein #aufschrei nicht reicht».

#ausnahmslos heisst denn auch das Stichwort auf Twitter, unter dem sich bereits zahlreiche Menschen mit den Initiantinnen solidarisierten. Kopf des Aktionskomitees ist die Netzfeministin Anne Wizorek. Sie lancierte 2013 bereits den Hashtag #aufschrei, bei dem es um Sexismus im Alltag ging. Im Gespräch erklärt sie, warum es den Hashtag #ausnahmslos nun zusätzlich braucht.

Anne Wizorek, 2013 kreierten Sie den Hashtag #aufschrei, der medial ein grosses Echo erzeugte. Warum nun die neue Kampagne unter dem Hashtag #ausnahmslos?

Wir starteten die Kampagne #ausnahmslos, weil wir gesehen hatten, dass sich in der Debatte um die Ereignisse in Köln eine rassistische Argumentation festmachte. Darum wollten wir signalisieren: Über Sexismus und sexualisierte Gewalt dürfen wir nicht nur sprechen, wenn es um Täter mit Migrationshintergrund geht.

Die Resonanz auf den Hashtag ist riesig. Überrascht Sie das?

Wir stemmten dieses Projekt innerhalb von nur drei Tagen – mit 22 Frauen. Nun ist es in erster Linie schön zu sehen, dass so viele Leute unser Anliegen unterstützen. Den Aufruf auf unserer Website unterschrieben mittlerweile über 2000 Personen – darunter die deutsche Familienministerin Manuela Schwesig und die britische Feministin Laurie Penny. Das zeigt, wie wichtig diese Debatte gerade ist.

Bei einem Artikel auf «Spiegel Online», der Ihren Hashtag thematisiert, wurde die Kommentarfunktion ausgeschaltet, weil zu viele unangemessene oder beleidigende Forumsbeiträge eingingen. Offenbar ist die Mischung aus Rassismus und Sexismus äusserst explosiv.

Absolut! Wir Feministinnen – vor allem jene, die sich im Internet äussern – erleben das nicht nur, wenn eine öffentliche Debatte geführt wird. Vielmehr gehören Angriffe im Netz zu unserem Alltag. Auch darum müssen wir diese Debatte führen. Wir haben nicht umsonst gesagt, dass es um körperliche Unversehrtheit geht – egal ob am Arbeitsplatz, zuhause oder im Netz.

Der Hashtag #ausnahmslos hat zahlreiche Tweets generiert. Twittern hauptsächlich Aktivistinnen und Aktivisten?

Das kann ich nicht genau sagen. Wichtig ist, dass ein klares Signal gesetzt wird. Wir müssen uns in der Debatte darauf konzentrieren, dass den Betroffenen alle Unterstützung und Hilfe zukommt, die sie benötigen – und darauf, wie wir dieser Art von Gewalt in Zukunft besser vorbeugen können. Das wurde bisher vernachlässigt in der Debatte.

Glauben Sie, dass der Hashtag tatsächlich etwas gegen Sexismus und Rassismus im Alltag beitragen kann?

Ein Hashtag ist kein Allheilmittel, aber er kann eine Initialzündung liefern. Wir wollen ein Statement setzten, dass Feminismus und Frauenrechte nicht instrumentalisiert werden dürfen, um Rassismus zu legitimieren. Das müssen wir in dieser Debatte schaffen.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 12.01.2016, 17:06 Uhr.

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