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Neue Ausstellung in Zürich Keine weisse Weste: Wie Schweizer vom Kolonialismus profitierten

Die Schweiz hatte keine Kolonien – und doch haben viele Schweizerinnen und Schweizer vom Kolonialismus profitiert. Die Ausstellung «kolonial» im Landesmuseum Zürich gibt erstmals einen Überblick über die vielfältige Schweizer Beteiligung.

Narben der Ausbeutung: Es ist ein grässliches Bild, das die Ausstellung eröffnet. Es zeigt den durch Peitschen malträtierten Rücken des Sklaven Peter Gordon. Sklaverei-Gegner verbreiteten die Fotografie während des amerikanischen Bürgerkriegs, der mit der Abschaffung der Sklaverei endete. Die ikonische Fotografie: ein Sinnbild der Sklaverei.

Schwarz-Weiss-Foto eines sitzenden Mannes mit Narben auf dem Rücken.
Legende: Peter Gordons Foto seines vernarbten Rückens wurde durch seine Veröffentlichung in Harper’s Weekly 1863 berühmt – und Teil der Anti-Sklaverei-Bewegung in den USA. Gemeinfrei, Wikimedia

Sklaverei: ein grosses Thema, aber weit weg – denkt man: Doch auch Schweizerinnen und Schweizer sind während der Kolonialzeit durch Sklavenarbeit reich geworden. Ab dem 17. Jahrhundert besassen Schweizer Privatpersonen Plantagen, die sie mit versklavten Frauen, Kindern und Männern betrieben. Mit dem Anbau vom Kaffee, Kakao oder Tabak etwa, zum Beispiel in der Karibik oder auch in Brasilien, wurden sie reich.

Die Sklavenarbeit ist nur ein Thema, das die Ausstellung behandelt. Sie will zeigen, wo Schweizerinnen und Schweizer überall die Finger im Spiel hatten. Es ist die erste Ausstellung, die versucht, einen Überblick über die Schweizer Verflechtung mit dem Kolonialismus zu geben.

Lange kein Thema, trotz vielfältiger Verstrickungen

Die Schweizer Beteiligung ist ein historisches Kapitel, das lange keins war. «Das Thema wurde viel zu lange ausgeblendet. In der Zwischenzeit haben aber zahlreiche Publikationen und Forschungsarbeiten gezeigt, dass die Schweiz vielfältig verflochten war mit dem kolonialen System», erklärt Co-Kuratorin der Ausstellung, Marina Amstad.

Runder Hut und Lineal auf einem Tisch vor einem Fenster.
Legende: Die Schweiz hat mit Kolonialismus nichts am Hut? Von wegen! Das Symbol imperialer Macht, der Tropenhelm ist ein Erkennungszeichen der Schweizer Kolonialherrschaften. Keystone

So zeigt die Ausstellung etwa, wie Schweizer mit sogenannten Kolonialwaren Handel betreiben oder wie Schweizer Siedlerinnen Länder indigener Völker besetzen.

Sie beleuchtet aber auch – vielleicht eher überraschend – wie Schweizer Wissenschaftler in den Kolonien Menschen und Tiere vermessen, klassifizieren und damit «Rassentheorien» entwickeln. Wie Schweizer Ingenieure Eisenbahnen oder Brücken bauen – und damit Möglichkeiten schaffen, um besetzte Gebiete noch weitgehender auszubeuten.

Wissenschaftler untersucht Schädel am Schreibtisch.
Legende: Für die «Rassenforschung» wurden Schädel von Menschen in den Kolonien vermessen: hier der Genfer Anthropologe Marc-Rodolphe Sauter, in einer Aufnahme um 1950. Bibliothèque de Genève

Schweizer Söldner – oft als Helden gefeiert – gingen in kolonialen Gebieten teilweise brutal vor. Zum Beispiel in den 1870er-Jahren auf der Insel Sumatra, wo eine Schweizer Brigade im Auftrag der Niederlande einen Aufstand niederschlug und beinahe 600 Menschen tötete.

Kontinuität bis zur Gegenwart

Die Ausstellung behandelt Kolonialismus aber nicht nur als ein historisches Kapitel, das mit der Dekolonisierung nach dem Zweiten Weltkrieg endet. Sie richtet ihren Blick auch auf die Gegenwart und thematisiert aktuelle Auswirkungen.

Museumsausstellung mit Holzstrukturen und grossem Bildschirm.
Legende: Ausbeutung der Natur: Stosszähne von Elefanten sind Trophäen von Grosswildjägerinnen und -jägern. Die Kolonien sah man als unerschöpfliche Rohstoffquellen für den technologischen Fortschritt in Europa an. Schweizerisches Nationalmuseum

«Wir stellen immer wieder die Frage ‹Und heute?›, weil es uns wichtig ist, auf die Kontinuitäten des Kolonialismus hinzuweisen», so Amstad. Folgen, die sich etwa in den Auswüchsen des Rohstoffhandels zeigen oder beim Klimawandel. Denn im Kolonialismus sah man die unterworfenen Gebiete als unerschöpfliche Ressource.

«Am einfachsten sichtbar sind die Kontinuitäten des Kolonialismus beim strukturellen Rassismus», so Amstad: «Noch immer prägen kolonial-rassistische Denkmuster unsere Gesellschaft.» Ein Erbe des Kolonialismus, das schwer wiegt – und das nicht leicht loszuwerden ist. Nicht nur in der Schweiz.

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung « kolonial. Globale Verflechtungen der Schweiz » ist noch bis zum 19. Januar 2025 im Landesmuseum Zürich zu sehen.

Radio SRF 2, Kultur-Aktualität, 12.9.2024, 7:52 Uhr

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