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Neuer Nationalratsentscheid Darum brauchte es 30 Jahre bis zum Verbot des Hitlergrusses

Der Nationalrat hat sich deutlich für ein Verbot von Nazisymbolik im öffentlichen Raum ausgesprochen. Was bedeutet der Entscheid? Ein Experte ordnet ein.

Wer Nazisymbole verwendet oder verbreitet, soll künftig dafür bestraft werden können. Der Nationalrat hat sich für ein Verbot von Nazi-Symbolik im öffentlichen Raum ausgesprochen.

Die Motion von Marianne Binder-Keller (Mitte) wurde am Donnerstag deutlich mit 141 zu 42 Stimmen bei 4 Enthaltungen angenommen. Stimmt auch der Ständerat zu, muss der Bundesrat die Verwendung von nationalsozialistischen Gesten, Parolen, Grussformen, Zeichen und Fahnen sowie von Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen oder Abbildungen, die solche Kennzeichen darstellen oder enthalten, verbieten und unter Strafe stellen.

Abgelenkt vom Sonderfall

Bisher war es in der Schweiz ohne Folgen möglich, in der Öffentlichkeit einen Hitlergruss oder ein Hakenkreuz zu zeigen. Über ein Verbot, wie es etwa Deutschland kennt, wird seit knapp 30 Jahren immer wieder diskutiert.

Dass es in der Schweiz bis zu einem möglichen Verbot so lange gedauert hat, erstaunt den Historiker Damir Skenderovic nicht: «Der historische Blick auf Nationalsozialismus und Rassismus hat lange die Sonderfallposition in den Vordergrund gestellt: Die Schweiz, die während des Zweiten Weltkriegs und in der Zwischenkriegszeit kein nationalsozialistisches oder faschistisches Regime gehabt hat.»

Damir Skenderovic

Professor für Zeitgeschichte

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Damir Skenderovic ist ordentlicher Professor für Zeitgeschichte an der Universität Freiburg.

Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte der radikalen Rechten, historische Migrationsforschung, 68er-Bewegung, Gegenkulturen, Inklusion und Exklusion.

Er war Gastwissenschaftler an der New York University, am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und an der University of California, Irvine.

Aufgrund dieser Selbsterzählung sei der Rechtsextremismus in der Schweiz häufig als Randphänomen betrachtet worden, so Skenderovic, der an der Universität Freiburg zu Rechtsextremismus forscht.

Minimalvariante dank Corona

Dass sich der Nationalrat jetzt so deutlich für ein Verbot ausspricht, hat für Skenderovic vor allem zwei Gründe: «Zum einen waren in den letzten Jahren, insbesondere während der Pandemie, Nazisymbole im öffentlichen Raum zusehends vorhanden.»

Dabei sei in Vergessenheit geraten, was diese Symbole wirklich bedeuten. «Es wurden im Zusammenhang mit Corona auch Vergleiche mit dem Nationalsozialismus hergestellt», so der Experte.

Demoteilnehmer mit Judenstern am Ärmel, auf dem ungeimpft steht.
Legende: An Coronademos waren Vergleiche mit dem Nationalsozialismus keine Seltenheit: Ungeimpfte stellten sich dabei teilweise in eine Reihe mit verfolgten Jüdinnen und Juden. IMAGO / Hannelore Förster

Andererseits sei die Motion eine Minimalvariante. So sollen nur explizit bekannte Symbole und Gesten des Nationalsozialismus verboten werden, zum Beispiel das Zeigen des Hitlergrusses oder eines Hakenkreuzes.

Südstaatenflagge bleibt erlaubt

Frühere Anläufe wollten weitergehen und rassistische Symbole grundsätzlich verbieten, etwa die Südstaatenflagge – fanden dafür aber keine Mehrheit im Parlament. «Die Südstaatenflagge steht für die Sklaverei und den Rassismus in den USA, aber nicht nur dort, sondern weltweit», so Skenderovic.

Die Einschränkung, dass das Verbot nur Symbole betreffen soll, die explizit den Nationalsozialismus verherrlichen oder den Holocaust verharmlosen, war nun mehrheitsfähig.

Es bleibt aber unklar, welche Symbole genau unter das geplante Verbot fallen, zumal in der rechtsextremen Szene häufig auch implizite Symbole oder gewisse Kleidermarken verwendet würden, die auf den Nationalsozialismus hinweisen, wie der Zeitgeschichtsprofessor erklärt.

Die Erinnerung wachhalten

Trotz allem: Für den Experten ist der Entscheid des Nationalrats ein Schritt in die richtige Richtung. Das Statement helfe, die Erinnerung aufrechtzuerhalten.

«Ich glaube, das Gesetz hat eine grosse Symbolkraft, und es ist auch ein wichtiger Zeitpunkt, weil die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus bei einer jüngeren Generation am Verblassen ist», ist Skenderovic überzeugt.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 5.5.2023, 17:20 Uhr ; 

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