Laure Donzé spricht schnell, als gelte es keine Zeit zu verlieren. Dabei kommt ihr ganzer Körper zum Einsatz. Ihre Augen leuchten.
Die Theaterpädagogin ist überzeugt von ihrer Idee eines kulturellen Zwischenjahres. Nach drei Monaten des ersten «A part entière» ist sie immer noch voller Tatendrang.
Bis zum Start des Projektes hat Laure Donzé als Mediatorin an einer Schule in Porrentruy im Jura gearbeitet. Dort habe sie den Eindruck erhalten, dass es im Schulsystem kaum darum gehe, sein eigenes Potential zu erkennen. Sondern vielmehr darum, dem Druck standzuhalten.
«Viele Jugendliche sagten mir: Ich brauche einen Sinn im Leben. Ich brauche einen Ort, um darüber nachdenken», erzählt Donzé.
Von Jugendlichen gestaltet
Der Ort für diese Art der Sinnsuche ist eine alte Villa im Zentrum von Delémont. Gemeinsam mit fünf anderen Pädagoginnen und Künstlern hat Laure Donzé hier «A part entière» ein Zuhause gegeben.
Gestaltet haben diesen anfangs anonymen Ort die jungen Menschen selbst. «Wir haben hier unsere Spuren hinterlassen. Es ist unser Ort», erzählt die 21-jährige Alice, die das Zwischenjahr besucht.
In einem abgedunkelten Raum hocken sie und etwa ein Dutzend weitere Jugendliche gemütlich auf dem Boden, der eine im Schneidersitz, die andere halb auf dem Teppich liegend. Vor ihnen liegt jeweils ein grosses Zeichenblatt mit einer Skizze von ihrem Gesicht.
Sich selbst erfahren
Die Zeichnungen wirken wie die von Kleinkindern gemalt: der Mund neben dem Gesicht, die Haare knapp über dem Kopf. Das ist nicht verwunderlich, denn die Porträts wurden im Dunkeln gezeichnet.
«Wir haben unser Bestes gegeben, ein Selbstportät zu zeichnen, ohne etwas zu sehen», sagt der 19-jährige Jules. «Auch wenn das Resultat nicht realistisch aussieht, erkennt man jede und jeden hier im Raum», ergänzt Alice. Bei der Übung zählt nicht das Resultat, sondern die Erfahrung mit sich selbst.
Wer bin ich? Was macht mich aus? Was beschäftigt mich? – Diese Fragen verbinden die Gruppe. Auch wenn die Beweggründe, hier zu sein, für jeden andere sind.
Jules erzählt, dass er Mühe hatte, dem Druck in der Schule standzuhalten. Alice sagt: «Für mich war das viele stupide Auswendiglernen kein Problem. Ich war sehr gut in der Schule. Aber über so viele interessante Aspekte des Lebens haben wir dort nie gesprochen.»
Ausserhalb der Komfortzone
Das Ziel sei nicht, Orientierung bei der Berufswahl zu geben, sondern die Jugendlichen auf der Suche nach sich selbst zu stärken, erklärt Laure Donzé. Dazu sollen sie die persönliche Komfortzone verlassen.
Donzé gibt ein Beispiel: Nächste Woche würden sie über Migration sprechen. Ein kongolesischer Flüchtling werde seine Geschichte erzählen. «Wir haben die Jugendlichen aber auch aufgefordert, ein eigenes Migrationserlebnis zu schaffen. Das kann etwa sein, einen Nachmittag in Basel zu verbringen und nur Deutsch zu sprechen.»
Keine Schule, eine Lebensschule
Ausserdem sollen die Jugendlichen sich selbst Ziele schaffen. Und diese in die Tat umsetzen, statt ihr Leben lang von etwas zu träumen und zu scheitern, weil sie nie damit beginnen. Einer der Teilnehmenden möchte etwa bis im nächsten Februar ein Lied komponieren. Er wird es dann auf der Strasse singen.
Ob als Strassenmusiker aufzutreten oder eine alte Villa zu renovieren: Solche Dinge lernt man nicht in der Schule. Mit dem Konzept von «A part entière» ist Laure Donzé eine Vorreiterin. Das Zwischenjahr gibt es bislang nur im Jura. Wenn es Erfolg hat, könnte es auch schweizweit Nachahmer finden.