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Neujahrsgespräch mit Abt Urban «Die Kirche bietet eine Botschaft des Entstressens»

Trotz Missbrauchsskandal und umstrittener Aussagen des Papstes glaubt Abt Urban Federer fest an die Zukunft der Kirche.

Ein Papst, der Abtreibung als Auftragsmord bezeichnet und sich gegen schwule Priester ausspricht. Dazu die Missbrauchsfälle, die auf der ganzen Welt ans Licht kommen: Die römisch-katholische Kirche hat kein einfaches Jahr hinter sich. Abt Urban Federer bleibt im Neujahresgespräch trotzdem zuversichtlich, was die Zukunft der Kirche angeht.

Urban Federer

Abt des Klosters Einsiedeln

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Urban Federer, geboren 1968, entschied sich im Alter von 20 Jahren, Mönch in Einsiedeln zu werden. Er wuchs in Zürich auf und hatte sich für das Gymnasium des Klosters Einsiedeln entschieden, um im Winter Skifahren zu können. Nach dem Studium (Theologie, Philosophie, Geschichte und Germanistik) arbeitete er an der Stiftsschule als Lehrer und wurde 2013 zum Abt gewählt.

SRF: Abt Urban Federer, Weihnachten war lange Ihr Lieblingsfest. Warum?

Urban Federer: Ich liebte die Vorbereitungszeit – die lange Zeit der Erwartung mit den Adventstürchen. Und dann war Weihnachten immer viel zu schnell vorbei. Heute aber ist Ostern mein Lieblingsfest – das Fest des Lebens, der Freiheit und der Liebe.

Hier schimmert schon Ihre Zuversicht durch. Sie sind ja auch sehr optimistisch, was die Zukunft der römisch-katholischen Kirche angeht. Weshalb?

Nicht wegen der Menschen, sondern wegen Gott. Wenn wir die Kirche darauf abstützen würden, was die Menschen tun oder eben nicht tun, dann hätte sie schon einige Male untergehen dürfen. Ich glaube aber, dass Gott für uns Menschen eine Zukunft vorgesehen hat.

In Ihrem Buch «Quellen der Gottesfreundschaft» schreiben Sie, die Kirche sollte nicht zu stark um ihre Probleme kreisen. Mir scheint aber, dass sie dies im Moment sehr stark tut. Stichwort Missbrauchsskandal.

Das muss sie auch. Die Kirche hat einiges aufzuarbeiten und soll auch Trauerarbeit leisten. Doch für mich ist die Kirche auch dynamisch – auf die Zukunft ausgerichtet. Das geht heutzutage gerne vergessen.

Die römisch-katholische Kirche hat einiges aufzuarbeiten und muss Trauerarbeit leisten.
Autor: Urban Federer Abt des Klosters Einsiedeln

Trotzdem: Ist es nicht schwierig, den Glauben unter die Leute zu bringen mit einem Papst, der Abtreibung mit Auftragsmord vergleicht und Schwulsein als Mode bezeichnet?

Wir müssen Papst Franziskus genau zuhören und nicht nur die Schlagzeilen weiter verbreiten. Aber natürlich ist es für mich manchmal auch mühsam, wenn ich seine Aussagen erklären muss.

Denn für mich ist Papst Franziskus immer noch der richtige Mann am richtigen Ort. Seine Schriften zum Klimaschutz sind schon fast prophetisch.

Sie plädieren dafür, authentisch zu sein. Es ist eines Ihrer Rezepte, wie Sie auch in Zukunft Gläubige ansprechen wollen. Doch wie kann ein junger, homosexueller Mann authentisch und gläubig sein, wenn sich der Papst gegen homosexuelle Priester ausspricht?

Auf den ersten Blick hat er dann ein Problem, ja. Aber für mich ist es eine Chance, mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Denn auch hier muss der Papst übersetzt werden. Mit Mode meint er meiner Meinung nach, dass sich Jugendliche zu früh für eine sexuelle Identität entscheiden müssen.

Das klingt nach viel Erklärungsarbeit. Kommt das an?

Oh, das müssen Sie die anderen fragen. Mir ist wichtig, dass diese Übersetzungsarbeit geleistet wird. Sonst stehen wir an.

Die Kirche hat viel zu bieten. Etwa eine Botschaft des Entstressens.
Autor: Urban Federer Abt des Klosters Einsiedeln

Nun haben wir viel über die Probleme gesprochen. Was kann die Kirche den Menschen in unserem säkularisierten Leben denn noch bieten?

Die Kirche kann viel bieten. Wenn wir Gottesdienst feiern, wenn wir die Sakramente spenden, steht stets eine Botschaft des Entstressens dahinter.

Der heutige Mensch muss alles selbst machen und sich dabei noch selbst erfinden. Gott aber sagt: Du bist gut, so wie du bist. Du hast Würde. Das ist ein wunderbares Angebot.

Das Interview führte Nicole Freudiger.

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