Zum Inhalt springen

Objekte und ihre Geschichte Diese Kröte soll zum Wunschkind verhelfen

Josef Zihlmann sammelte volksreligiöse Gegenstände. Das Historische Museum Luzern entstaubt und erklärt sie.

Am Anfang des Projekts steht ein kleines Museum im luzernischen Ettiswil. Bis vor einem Jahr beherbergte es die «Sammlung Zihlmann». Sie umfasst volkskundliche Gegenstände aus zwei Jahrhunderten. Als dem Museum die Besucher ausgingen, kam die Sammlung ans Historische Museum Luzern.

Kuratorin Sybille Gerber erhielt den Auftrag, die Sammlung neu zu denken. Damit sie attraktiv und zugänglich wird für ein Publikum von heute. «Wenn diese Gegenstände klassisch hinter Glas ausgestellt werden, sind sie tot. Es fehlt ihnen der Geist Zihlmanns».

Eine Wachskröte in orange-roter Farbe.
Legende: Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch pflegten Votivgaben wie diese Wachskröte in einer Kirche zu deponieren. Sibylle Gerber

Geschichtensammler Zihlmann

Joseph Zihlmann, 1914 in Hergiswil geboren, war ein erfolgreicher Geschäftsmann und Volkskundler. Er forschte auf dem Gebiet des christlichen Volksglaubens. Ihn interessierte, wie die Menschen lebten und woran sie glaubten. Er sammelte Gegenstände und Objekte – vor allem aber sammelte er Geschichten.

Solche Geschichten gibt es noch heute, wie das Projekt «Abgestaubt – Geschichten über eigenartige Gegenstände» zeigt. Sibylle Gerber und ihr Team packten einen Koffer mit Objekten aus der Sammlung und gingen damit hausieren, um zu erfahren, was Menschen heute dazu einfällt.

Ein portables Museum

Aussen ist der Koffer modern und schlicht. Sensationell ist sein Inhalt. Ein knappes Dutzend Objekte liegt säuberlich angeordnet im schützenden Schaumstoff. Einige Objekte sind seltsam, andere etwas eklig und wieder andere ganz alltäglich. Ein Suppenlöffel aus Silber etwa.

Zwei silberne Löffel.
Legende: «Den Löffel abgeben»: Der Löffel symbolisiert die gesamte Lebensspanne des Menschen von der Geburt bis zum Tod. Sibylle Gerber

Am auffälligsten ist eine rote Kröte aus Wachs. Die Kröte symbolisiert die Gebärmutter. Frauen mit Unterleibsbeschwerden oder unerfülltem Kinderwunsch pflegten früher mit solchen Votivgaben das Schicksal günstig zu stimmen. Dazu wurden Objekte wie diese Wachskröte in Kapellen niedergelegt.

Glauben versetzt Berge

Auch die Heiligenbilder auf Papierbogen verlangen eine Erklärung. Knapp so gross wie eine Briefmarke sind die Schluckbilder – auch Fresszettel genannt. Je nach Beschwerden wurde eines dieser Heiligenbilder in etwas Flüssigkeit aufgeweicht und geschluckt. Eine Praxis, die man heute belächeln kann.

Zwei Hände halten ein briefmarkengrosses Papierstück in den Händen.
Legende: Glauben versetzt Berge: Solche «Fresszettel» mit Heiligenbildern wurden je nach Beschwerde eingenommen. Sibylle Gerber

Gerber und ihr Team haben festgestellt, dass es sich heute so anders mit dem Volksglauben nicht verhält. «Fast alle Menschen haben eine Art Glauben, der nicht ganz offiziell ist», sagt die Kuratorin. Das reiche von alltäglichen Ritualen über Glücksbringer bis zu Tattoos.

Zeitlose oral history

Das Projekt «Abgestaubt» zeigt die Vielfalt von volksreligiösen Gegenständen, die gestern wie heute Geschichten in sich bergen. Setzt man sich mit diesen Objekten auseinander, tritt das menschliche Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit, Gesundheit und Glück ist in all seinen Spielarten in Erscheinung.

So gesehen ist dieser Koffer viel mehr als ein kleines, tragbares Museum für alte Objekte. Es ist ein Schlüssel zu den existentiellen Themen, die jeden Menschen betreffen – und zu denen auch jeder eine Geschichte zu erzählen hat.

Projekt «Abgestaubt»

Box aufklappen Box zuklappen

«Abgestaubt – Geschichten über eigenartige Gegenstände» ist ein Projekt von Sibylle Gerber, Elisabeth Sprenger, Anette Geier-Leisch und Boris Buzek. Entstanden ist das Projekt im Rahmen des Lehrgangs CAS-Kulturmanagement am Stapferhaus Lenzburg.

Die gesammelten ganzen Geschichten zu den Objekten sind als Podcast zu hören .

Meistgelesene Artikel