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Öffentliche Medien in Europa Der politische Druck auf das tschechische Fernsehen wächst

Die Debatte um den Service public beschäftigt die Schweizer Öffentlichkeit. Wie sieht die Situation in anderen Ländern aus – zum Beispiel in Tschechien? Das Land ist für Newsjournalisten ein hartes Pflaster

«Unter mitteleuropäischen Verhältnissen ist die Arbeit von den beiden tschechischen öffentlich-rechtlichen Medien recht gut», sagt Vojtech Berger. Er hat 12 Jahre lang beim tschechischen Radio gearbeitet.

Nun hat er zur investigativen Onlineplattform «Hlidaci Pes», auf Deutsch «Wachhund», gewechselt. Trotzdem verliert er kein schlechtes Wort über seinen alten Arbeitgeber.

Zwanzig Korrespondenten

Als ehemaliger Auslandkorrespondent streicht er die Auslandberichterstattung hervor. Radio und Fernsehen haben zwanzig Korrespondenten - im regionalen Vergleich und für ein eher kleines Land ist das ein eindrückliches Netz.

Auch im Inland leisten die Öffentlich-rechtlichen starke Arbeit: «Zum Beispiel im Bereich des Aufdeckungsjournalismus, in dem im tschechischen Fernsehen seit vielen Jahren viel geleistet wird. Und das tschechische Radio hat ein Aufdeckungsjournalisten-Team aufgebaut, das eigene ‹Causas› öffnet. Das wird sehr häufig zitiert in anderen Medien.»

«Causa» nennt man in Tschechien eine Skandalgeschichte. Oft geht es um Politiker. Und oft war das in letzter Zeit der ehemalige Finanzminister und wohl nächste Premierminister des Landes: Andrej Babis.

Parteiische Berichterstattung?

Auch das tschechische Radio und Fernsehen berichtete über seine Firmen, seine Medien, seine Steuertricks und den Vorwurf, er habe sich EU-Subventionen erschlichen. «Und das ist auch einer der Gründe, warum Herr Babis viel Kritik an die Journalisten des tschechischen Fernsehens richtet.»

Babis' Vorwurf lautet: Die öffentlich-rechtlichen seien parteiisch. Der ehemalige Radiomitarbeiter widerspricht: «Ich habe kein einziges Mal politischen Druck gespürt auf meine Arbeit.» Auch von den Kollegen aus der Inlandredaktion habe er nie so etwas gehört.

Kritik von mehreren Seiten

Babis hat mehrmals gedroht, das tschechische Fernshen müsse besser kontrolliert werden. Als Premierminister könnte er diesen Worten Taten folgen lassen.

Zumal seine Minderheitsregierung von einer populistischen Rechtsaussenpartei und den Kommunisten geduldet wird - zwei Parteien, die ebenfalls zu den Gegnern der öffentlich-rechtlichen Medien zählen.

Manche Beobachter vermuten, Babis werde das öffentliche Radio und Fernsehen vernichten. Möglich ist auch, dass er dem Parlament per Gesetz noch mehr Einfluss verschafft auf die Zusammensetzung der Rundfunkräte, die wiederum die Chefs von Radio und Fernsehen wählen.

Mann im Anzug vor mehreren Mikrofonen.
Legende: Andrej Babis ist ein scharfer Kritiker des tschechischen Fernsehens. Keystone

So würde er die öffentlich-rechtlichen Stationen zu dem machen, was er ihnen vorwirft zu sein: parteiische Massenmedien. «Die Signale, dass man die öffentlich-rechtlichen Medien in ihrer Arbeit einschränken soll, kommen aus mehreren Richtungen», sagt Vojtech Berger.

«Unter Beschuss»

Etwa vom irrlichternden Staatspräsidenten Zeman, der das tschechische Radio und Fernsehen meidet und stattdessen mit Boulevardzeitungen, Privatfernsehen oder einem manipulativen, prorussischen Onlineportal spricht.

Service Public weltweit

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Noch sind die Öffentlich-rechtlichen beliebt. Noch immer vertrauen laut Umfragen 65 Prozent der Bevölkerung dem tschechischen Fernsehen. «Das ist sehr viel in einem Land, das unter Beschuss des russischen Propagandakrieges steht.»

Kein Medienhaus deckt in Tschechien die News so gründlich und so breit ab wie die öffentlich-rechtlichen Stationen. Keines ist in den Regionen so präsent. Und keines pflegt so hingebungsvoll die Geschichte und Kultur des Landes, von den Märchenfilmen zu den grossen Komponisten bis zu den Bierbrauereien.

All diese Leistungen sind für ein kleines Land mit eigener Sprache enorm wichtig. «Ohne die öffentlich-rechtlichen Medien kann ich mir dieses Land nicht vorstellen», so der Journalist Vojtech Berger.

Ob Berger bald schon gezwungen sein wird, sich das vorzustellen, weiss derzeit wohl nur der zukünftige Premierminister Andrej Babis.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 30.11.2017, 7:20 Uhr.

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