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Öko-Trend als Problem Secondhandläden platzen aus allen Nähten

Immer mehr Kleider landen in Brockis und Secondhandläden. Die Lager sind voll. Das zeigt ein Besuch.

«Anna K.», eine Secondhand-Boutique in der Basler Altstadt: Vorne, im Laden, herrscht auch an diesem Wochentag viel Betrieb.

Hinten, im Lager, herrscht zu viel Betrieb: Die Kleiderstangen und Regale sind gut gefüllt, davor stapeln sich Plastikboxen.

«Das muss ich alles noch irgendwie unterbringen», sagt Geschäftsführerin Isabella Kössler. Und lacht, als sei sie selbst angesichts der vielen Hosen, Blusen und Jacken überrascht: «Wahnsinnig.»

Mehr Kleider abgegeben

Dabei ist ihr dieser Anblick vertraut. Seit ein, zwei Jahren erhalte sie deutlich mehr Kleider, sagt Kössler. Sie schätzt 20 bis 30 Prozent mehr.

Rund die Hälfte davon lehnt sie ab. Aber auch so wird der Platz im Lager weniger und ihre Überstunden mehr. Seit Kurzem nimmt Kössler daher keine Kleider von neuen Kundinnen mehr an.

Eine Frau vor Kleiderstangen.
Legende: Angetan von alten Kleidern: Isabella Kössler in ihrem Laden «Anna K.». SRF

«Anna K.» – mit drei Filialen in und um Basel – ist einer der älteren Secondhandläden, Isabella Kösslers Mutter seit rund 20 Jahren im Geschäft. Unterdessen sind viele Shops dazugekommen, die weit entfernt sind vom ehemaligen Schmuddelimage von Kleidern aus zweiter Hand.

Doch trotz reger Nachfrage: Verschiedene Secondhands berichten , dass sie heute mehr Kleider erhalten, als sie verkaufen können.

Spürbar mehr Stoff wird auch an Brockenhäuser gespendet: Von 10 bis 20 Prozent mehr Kleider in den vergangenen zwei Jahren spricht Jakob Amstutz, der Geschäftsführer der Schweizer Heilsarmee Brockis. Vergleiche man dieses Frühjahr mit dem Vorjahr, betrage die Zunahme 3 bis 5 Prozent.

Entrümpeln wir mehr?

Sucht man nach Gründen, scheint eine Erklärung nahezuliegen: der Marie-Kondo-Effekt. Brockenhäuser in den USA spüren den Erfolg der Aufräum-Philosophin. Sie erhielten zwei Drittel mehr Spenden seit Jahresbeginn.

Entrümpeln auch in der Schweiz viele nach Kondo'scher Methode den Kleiderschrank?

So einfach sei es nicht, glaubt Isabella Kössler. Sie merke zwar jeweils, wenn Medien über Marie Kondo berichten. Viel wichtiger sei aber eine andere Entwicklung der letzten Jahre: Mehr Leute wollen ihre Kleider nicht einfach wegwerfen. Sie wollen, dass sie weiter getragen werden. «Man will nachhaltig sein.»

Das bestätigt auch Jakob Amstutz: «Mit dem Wissen, wie viele Ressourcen Kleider kosten, wächst das Bewusstsein in der Bevölkerung für einen verantwortungsvollen Umgang damit.»

Woher die Lust am Ausmisten? 3 Fragen an eine Profi-Aufräumerin

Box aufklappen Box zuklappen
Legende: Muriel Kunz

Christine Braun arbeitet als Aufräumcoach in Basel ( «einfach machen» ) und ist Mitglied des Berufsverbands «Swiss APO» .

SRF: Merken Sie einen Marie-Kondo-Effekt?

Ich merke, dass ich mehr und anders auf das Thema angesprochen werde. In der Schweiz ist der Schambereich grösser als in Amerika. Vielen ist «ihr Puff dihei» peinlich. Aufräumhilfe in Anspruch zu nehmen ist eher ein Tabu.

Marie Kondo lässt es normaler wirken. Man ist nicht gleich ein Messie. Zugleich ist Aufräumen zu einer Art Bewusstseinserweiterung geworden, etwas, das wir für unser Wohlbefinden tun.

Weshalb tut Entrümpeln so gut?

Unsere Grosseltern hatten viel weniger Dinge. Wir wissen heute noch gar nicht, wie wir mit dem Überfluss umgehen und mit den Anreizen, die übers Internet verstärkt werden. Darum geht’s beim Aufräumen: Was brauche ich? Was ist mir etwas wert? Man ist rasch beim Wesentlichen: der Frage nach den eigenen Werten.

Wenn’s ans Ausmisten geht, beginnen viele zuerst am Kleiderschrank. Wieso?

Weil uns Kleider sehr nahe sind, weil wir sie jeden Tag tragen. Wir haben wahrscheinlich gleich viel Papier, Ordner oder Bücher. Aber auch Marie Kondo fängt mit den Kleidern an, weil man da leicht Fortschritte erzielt. Denn von den Kleidern in unserem Schrank tragen wir ja vielleicht einen Drittel – der Rest hängt einfach drin.

Die Kehrseite des Trends

Eigentlich eine erfreuliche Entwicklung: Statt im Altkleider-Container oder gar im Müll landen mehr Kleider wieder im Verkauf. Die Kehrseite: «Fast Fashion», die günstige Massenware «made weit weg», nimmt zu.

Isabella Kössler sieht öfter als früher «Ikeataschen voll billiger Sachen». Und Jakob Amstutz sieht darin ein künftiges Problem für die Brockenhäuser.

Weniger ist mehr

Die Qualität der Spenden werde tendenziell schlechter, beklagt Amstutz: «Der Anteil an Kleidern, die nicht verwertbar sind, nimmt zu.» Kleider, die zu Putzlappen und Dämmmaterial verarbeitet oder verbrannt werden müssen.

Eine Kundin in der Berner Brocki.
Legende: Schnäppchen! Eine Kundin im Berner Heilsarmee Brocki. Keystone / Peter Klaunzer

Was unsere Garderobe angeht, braucht es für Isabella Kössler ein Umdenken: «Klar, es ist toll, dass man Kleider in einen Secondhand bringt. Aber das darf nicht zur Rechtfertigung dafür werden, noch mehr zu kaufen.»

Sagt sie – und macht sich daran, die nächste Kiste auszupacken.

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