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Pflegepersonal aus dem Ausland Die Rechnung mit den Care-Migrantinnen geht nicht für alle auf

Ausländische Pflegerinnen sind in der Schweiz eine willkommene Unterstützung in der Alterspflege. Doch es gibt viele Missstände bei der Care-Migration. Eine Sozialwissenschaftlerin fordert eine Debatte über die Altersbetreuung.

Die Alterspflege in der Schweiz ist für Familien schwierig – der Aufwand oft selber nicht leistbar, eine externe Betreuung zu teuer. Viele greifen daher auf Care-Migrantinnen zurück – Pflegerinnen, die aus dem Ausland in die Schweiz kommen, um alte oder kranke Personen zu betreuen.

Ursula Scheidegger spricht die prekären Arbeitsbedingungen der Care-Migrantinnen an. Die Sozialwissenschaftlerin gehört zum 2020 neu gegründeten Netzwerk «Economie Feministe», das sich unter anderem auf Fragen der Care-Ökonomie spezialisiert.

Sie spricht von Care-Migrantinnen, da es fast ausschliesslich Frauen seien, die für Pflegarbeit in die Schweiz kommen. Viele Care-Migrantinnen würden Ausnützung und schlechte Arbeitsbedingungen in Kauf nehmen, betont Scheidegger.

Pendeln nach Polen, Rumänien oder Ungarn

10'000 bis 30'000 Care-Migrantinnen arbeiten Schätzungen zu Folge in der Schweiz. Sie betreuen Betagte. Sie wohnen in deren Haushalt, meist für mehrere Wochen, bevor sie wieder zurück in ihr Heimatland pendeln – nach Polen, Rumänien, Ungarn oder der Slowakei.

Die Arbeitsbedingungen dieser Care-Migrantinnen sind oft stossend. Barbara Lienhard von der Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Zürich, die das Onlineportal careinfo.ch betreibt, kennt die Geschichten. Das Pflegepersonal würde oft von belastenden Arbeitsverhältnissen berichten. 

Immer auf Abruf, kaum Freizeit

Care-Migrantinnen wohnen meist bei der Person, die sie betreuen. Aus diesem Grund verwische sich die Grenze zwischen Arbeitszeit und Freizeit, beobachtet Barbara Lienhard: «Es stellt sich die Frage: Ist das gemeinsame Spazierengehen oder das Fernsehen mit der betagten Person Freizeit? Oder ist es Arbeitszeit?»

Fachleute kritisieren denn auch diese 24-Stunden-Betreuung. Der Begriff sei problematisch, findet Barbara Lienhard. Zwar ist im Arbeitsvertrag von Care-Migrantinnen oft eine Arbeitszeit von sechs bis acht Stunden festgeschrieben. Aber: «Erwartet wird eigentlich eine 24-Stunden-Präsenz», so Lienhard.

Mit entsprechenden Folgen: «Gerade diese Verwischung von Freizeit und Arbeitszeit oder das Fehlen von tatsächlicher Freizeit sind enorme Belastungen», betont sie.

Hinzu kommen die Folgen im Heimatland der Care-Migrantinnen, zum Beispiel der Brain-Drain: Dem Heimatland geht eine meist ausgebildete Arbeitskraft verloren.

Auch Familien und die gesamte Gesellschaft verlieren mit dem Abwandern der Betreuerinnen in die Schweiz oder in andere westliche Länder. «Das ist eine Situation, die sehr fragwürdig ist», sagt Sozialwissenschaftlerin Ursula Scheidegger.

Win-win-Situation?

Trotzdem hat die Politik bis jetzt auf eine strengere Regulierung der Branche verzichtet. Politikerinnen und Politiker sprechen im Zusammenhang mit der Care-Migration von einer Win-win-Situation: Die betagte Person erhält eine individuelle, günstige Betreuung.

Die Care-Migrantin erhält einen guten Lohn, verglichen mit den Löhnen in ihrem Heimatland. Die Fachleute winken aber ab: Die Folgen für die Beteiligten, ihre Familien und Heimatländer seien zu gravierend.

Deshalb müsse die Schweiz einen Diskurs über die Altersbetreuung führen, ist Ursula Scheidegger überzeugt. Klären solle man «nicht nur die Frage, was wir wollen, sondern was können und wollen wir finanzieren? Was ist es uns wert?»

Altersbetreuung ist in der Schweiz Privatsache

Sozialwissenschaftlerin Ursula Scheidegger ortet den springenden Punkt bei den Kosten. Und das sei nicht verwunderlich, schliesslich würden Private den grössten Teil der Kosten der Langzeitbetreuung übernehmen, argumentiert Scheidegger.

Untersuchungen zeigen, dass der Anteil privater Ausgaben an der Langzeitpflege in der Schweiz bei 61 Prozent liegt – auf ähnlich hohe Werte kommt kein anderes westliches Land (siehe Tabelle oben).

Die Altersbetreuung werde in der Schweiz als individuelles Problem angeschaut, konstatiert Scheidegger – als Problem der einzelnen Familien und nicht als eine Aufgabe des Staats. Dies müsse sich zuerst ändern, fordert die Sozialwissenschaftlerin.

Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 18.5.2021, 9:03 Uhr

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