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Die Kunst zu finden, was man nicht gesucht hat
Aus Kultur Webvideos vom 27.01.2019.
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Phänomen Serendipity Was Chips und LSD gemeinsam haben

Wer nach grossen Entdeckungen sucht, kann meist lange suchen – oder man findet, was man gar nicht sucht.

Ein wenig eklig ist es ja: 1878 arbeitete der Chemiker Constantin Fahlberg gerade mit Teer, als er merkte, dass er vor lauter Tüftelei das Znacht vergessen hatte.

Ganz der zerstreute Wissenschaftler vergass er, sich vor dem Essen die Hände zu waschen. Was daraufhin geschah, schildert Fahlberg so: «Das Brot schmeckte unvorstellbar süss. Zuerst dachte ich, ich hätte ein Stück Kuchen gegessen.» Dann habe er mit der Serviette seinen Schnauz abgewischt und dabei festgestellt, dass diese noch süsser war.

«Zuckeriger als Zucker»

Als Quelle des unerwarteten Geschmacks identifizierte Fahlberg seinen eigenen Daumen. Offenbar war er im Labor mit einer Substanz in Berührung gekommen, die «zuckeriger schmeckte als Zucker».

Aus einer kleinen Unachtsamkeit entstand ein Produkt, das bis heute in Light-Getränken und Zahnpasta zu finden ist: Saccharin, ein künstlicher Süssstoff.

Pommes-Chips, LSD oder Amerika – sie alle wurden per Zufall entdeckt.

Fahlberg ist bei weitem nicht der Einzige, der auf diese Weise eine Erfindung gemacht hat. Pommes-Chips, LSD oder Amerika – sie alle wurden per Zufall entdeckt.

Die Kunst des Findens

Im Englischen gibt es dafür den schönen Begriff «Serendipity»: die Kunst, Dinge zu finden, nach denen man gar nicht gesucht hat.

Die Prinzen von Serendip

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Das Wort Serendipity geht zurück auf einen Brief des britischen Autors Horace Walpole. Er prägte es als Anspielung auf das persische Märchen «Die drei Prinzen von Serendip»: Drei Prinzen, die um die Welt reisten und dabei aus Zufall und Schlauheit Rätsel lösten. Serendip ist übrigens ein alter persischer Name für das heutige Sri Lanka.

Serendipität befreit erfindungswillige Geister allerdings nicht vom Suchen. Alle Entdeckungen dieser Art stammen von Menschen, die sich in ihrem Gebiet auskannten – oder es zumindest glaubten.

So hatte Kolumbus Grund zur Annahme, er könne um die Erde nach Indien segeln, als ihm der amerikanische Kontinent in den Weg kam.

Catherine Wicks, die die Chips erfand, weil ihr beim Kartoffelschälen ein Stück Schale in eine Pfanne mit heissem Öl gefallen war, arbeitete als Köchin. Und unser zerstreuter Chemiker Fahlberg hatte immerhin ein Labor und einen Schnauz.

Wer sucht, findet manchmal

Gleichzeitig ist es aber auch nur den Wenigsten vergönnt, eine Entdeckung zu machen, nur weil sie es sich in den Kopf gesetzt haben, sagt die Publizistin Miriam Meckel: «Wenn man sich entscheidet, eine bahnbrechende Erfindung zu machen, passieren ganz viele Sachen, nur nicht die bahnbrechende Erfindung.»

Literaturhinweis

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Miriam Meckel und Daniel Rettig: «Serendipity: 77 zufällige Entdeckungen, die Geschichte schrieben» Klein & Aber, Zürich 2018

Meckel hat sich in ihrem Buch «Serendipity» ausführlich mit dem Phänomen auseinandergesetzt. Sie beschreibt darin 77 Entdeckungen, die alle mehr oder weniger dem Zufall geschuldet sind – von der Chemotherapie bis zum Emoji.

Entstanden ist dabei eines dieser Bücher, die man unbedingt gelesen haben sollte, falls man mal zufällig im Finale einer Quizshow steht.

Auf den Zufall hoffen

«Serendipity» ist voll von kurzen, witzigen Anekdoten aber auch einigen traurigen Geschichten: etwa der der ersten Klimaforscherin Eunice Foote, die dummerweise das falsche Geschlecht hatte, um als Wissenschaftlerin ernst genommen zu werden. Oder der Fall von Robert Kearns, der den Intervall-Scheibenwischer erfand, nur um sich das Patent vom Ford-Konzern klauen zu lassen.

Doch lässt sich auch eine Lektion aus «Serendipity» herauslesen: Wer den Anspruch hat, Grosses zu erfinden, muss auf den Zufall hoffen. Ein Ingenieursstudium oder ein Grosskonzern im Rücken können dabei aber auch nicht schaden.

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Das Unerwartete erwarten – vom klugen Umgang mit dem Zufall
Aus Sternstunde Philosophie vom 27.01.2019.
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