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Gesellschaft & Religion Pick-up-Artists sind die Profis im Aufreissen

Die Verführer von heute nennen sich Pick-up-Artists. Sie beraten untereinander Anmachmethoden, gehen gemeinsam auf Frauenjagd und organisieren Seminare zum erfolgreichen Aufreissen. Auch Zürich ist Teil einer aktiven Pick-up-Szene.

«Ich hatte jeden Abend ein bestimmtes Ziel: Sagen wir 20 Frauen ansprechen, davon 3 in ein längeres Gespräch verwickeln. Und klar ist am Schluss das Ziel, sie ins Bett zu kriegen.» Der 23-jährige Wirtschaftsstudent Roy ist Organisator des «Zürcher Lair», einer Community zum systematischen Aufreissen von Frauen.

Anmache mit System

Der Pick-up-Jargon

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HB (Hot Babe)/Target: Die anvisierte Frau. Attraktivitätsstufen von HB1-10, wobei HB10 die absolute Traumfrau ist.

Sargen: Das Anmachen von Frauen.

Close: Eroberungsstufe (z.B. Number Close: Man hat ihre Nummer ergattert; Kiss Close: Sie lässt sich küssen).

Bitch Shield: Abweisende Haltung der Frau gegenüber Anmachversuchen.

Jeden Samstagabend findet ein Treffen statt, wo Roy die Neulinge in die Kunst der Verführung, das sogenannte «Pick-up», einweist. Anschliessend machen sie zusammen die Clubs unsicher. «Mit Pick-up hast du im Ausgang immer einen Plan. Im Kopf hast du alle potentiellen Hindernisse durchgeplant und die passenden Lösungen bereit», erklärt Roy. Es sei wie bei einem Spiel, wo es gilt, verschiedene Szenarien zu meistern, um anschliessend das nächste Level zu erreichen.

Die Community in Zürich ist Teil eines Phänomens, das bereits in etlichen Grossstädten der USA und Europas Einzug gehalten. Mit dem 2005 von Neil Strauss veröffentlichten Buch «The Game» (deutsch: «Die perfekte Masche») entwickelte sich eine Aufreisskultur mit eigenem Fachjargon, Methoden und (pseudo)wissenschaftlichem Überbau.

Längst wurde das Konzept kommerzialisiert – mittlerweile sind zahlreiche Bücher zum Thema erschienen, für Seminare werden bis zu 3000 Franken hingeblättert und deren Veranstalter sind zu angesehenen Grössen einer aktiven Szene aufgestiegen.

Verführungsindustrie

Der Psychologe Andreas Baranowski untersuchte das Phänomen in seiner Diplomarbeit. Neben dem sexistischen Frauenbild, das der Pick-up-Mentalität zugrunde läge, kritisiert er vor allem dessen Aufschwung zu einer regelrechten Industrie. Er nahm selbst an einem Seminar teil und meinte dazu in einem Interview mit Spiegel Online nüchtern: «Verführt wurden vor allem die Teilnehmer – und zwar dazu, ihr Geld beim Coach zu lassen.»

Auch Roy, der in seiner Freizeit schon öfter bei Coachings in der deutschen Szene mitgewirkt hat, räumt ein: «Die meisten Anbieter kommen aus dem Verkauf. Es geht mehr um das Marketing als um das tatsächlich gelieferte Endprodukt.»

Selbsthilfegruppe für den Umgang mit Frauen

Der Pick-up-Jargon (Forts.)

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Field/Lay Report: Bericht der Erfolge und Misserfolge zur gegenseitigen Analyse.

Wing: Ein Freund, der beim Aufreissen unterstützt.

Negs: Neckereien oder kleine Beleidigungen, um die Gleichgültigkeit der Frau abzubauen.

Kino: Die Frau scheinbar flüchtig, aber bestimmt berühren.

Frame: Wie man selbst nach aussen wirkt.

Die Community des Zürcher Lair zeigt jedoch auch eine andere Richtung der Pick-up-Artist Bewegung. Roy vergleicht die Treffen mit einer Selbsthilfegruppe: «Man steht vor die anderen hin und sagt: Ich traue mich nicht Frauen anzusprechen. Das ist ein unglaublicher Schritt für einen Mann.» Im Freundeskreis sei das schwierig, stets befände man sich in einem Konkurrenzkampf und müsse sich beweisen.

Baranowski sieht hier den Grund, weshalb es sich insbesondere um ein männliches Phänomen handelt: «Ich glaube, Frauen tauschen sich viel mehr untereinander aus als Männer. Und Männern liegt offenbar die technische Herangehensweise ganz gut.»

Die Rolle des Prinzen

Wenn sich die Pick-up-Artists gemeinsam ins Zürcher Nachtleben stürzen, scheinen sie vor allem auch ein fest verankertes Bild zwischengeschlechtlicher Beziehungen zu bedienen. «Viele Frauen haben doch diese Vorstellung eines Prinzen, der auf dem Pferd daherreitet», meint Roy. Wolle man bei Frauen Erfolg haben, käme man nicht umhin die aktive Rolle zu übernehmen. Und da biete Pick-up ein gutes Arsenal an Tricks, sich möglichst gut in Szene zu setzen.

Ein Beispiel ist der «Opener» – ein passender Gesprächseinstieg, der kreativ, überraschend und vor allem zwingend sein sollte. Ein Klassiker: «Mein Kumpel und ich brauchen dringend eine dritte Meinung. Wer lügt mehr: Männer oder Frauen?» Roy würde es mehr als begrüssen, wenn eine Frau auf ihn zugehen würde – nur komme dies so gut wie nie vor.

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