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Pierre Naftule ist tot Er brachte die Romandie zum Lachen – dreimal pro Minute

Der Genfer Autor, Produzent und Regisseur Pierre Naftule zählte in seinen humoristischen Stücken die Lacher – und liess dafür auch einmal einen flachen Witz durchgehen. Naftule verhalf der Westschweizer Comedyszene zum heutigen Erfolg.

Pierre Naftule war insbesondere in der Westschweiz bekannt: Für seine Polit-Satire und seine Mischung aus raffinierten und flachen Witzen. Er war aber auch Vorreiter und Unterstützer von Westschweizer Comedians, die der Romandie noch heute Humor-Erfolg bringen.

Nun ist Pierre Naftule vergangenes Wochenende mit 61 Jahren in seinem Haus in Genf gestorben.

Vom Weltenbummler zum Polit-Satiriker

Pierre Naftule machte sich schon Ende der 70er-Jahre in der TV-Sendung «La Course autour du monde» einen Namen. Als einer der Teilnehmer reiste er mit gerade mal 18 Jahren mit einer Kamera um die Welt.

«Die witzigen Reportagen von Naftule sind in Erinnerung geblieben und auch bei der damaligen Jury sehr gut angekommen», meint der frühere SRF-Westschweiz-Korrespondent Martin Heule, der Naftule kannte.

schwarzweiss-Foto: Links junger Mann mit Locken und Kamera, Mitte älterer Mann, rechts junger Mann, lacht, Lockenkopf.
Legende: Pierre Naftule (rechts) 1980 für die Sendung «La course autour du monde» mit Journalist Jacques Huwiler und Teilnehmer Stanislas Popovic (links). RTS

Nachdem Naftule im Westschweizer Radio seine eigene Sendung «Naftule, vous êtes viré» – «Naftule, Sie sind entlassen» – bespielte, erreichte er schliesslich ab 1990 einen seinen grössten Erfolge: Bei der traditionellen Genfer Polit-Satire-Show «La Revue» führte er bis 2017 fünfzehnmal Regie.

In dieser Show zum Jahresende werden jeweils lokale Politgrössen durch den Kakao gezogen: «Als Politiker darf man durchaus beleidigt sein, wenn man in der Revue nicht vorkommt», sagt Martin Heule.

Die biedere Marie-Thérèse

Zeitgleich kreierte Pierre Naftule zusammen mit dem Kabarettisten Joseph Gorgoni die Figur Marie-Thérèse Porchet. Die von Gorgoni gespielte Figur war politisch unkorrekt, leicht fremdenfeindlich und offensichtlich kein Fan von Deutschschweizerinnen und -schweizern.

mann verkleidet als alte Dame mit grauem Toupet in blau-kariertem Jackett. Im Scheinwerferlicht.
Legende: Joseph Gorgoni als Marie-Thérèse Porchet, hier 2008 im Spektakel «Europorchet». Keystone / MARTIAL TREZZINI

Die biedere, aber tanzfreudige Dame trat auch in Paris und in der Deutschschweiz auf. Vor ihren Auftritten klopften Gorgoni und Naftule jeweils bei Martin Heule an: «Sie hatten grosse Zweifel, ob ihre bösen und platten Witze über die Deutschschweizer vielleicht den Zuschauern in Zürich in den falschen Hals geraten könnten.»

Der Journalist konnte sie beruhigt: Das Deutschschweizer Publikum würde sie lieben, so Heule.

Naftule zählte die Lacher pro Minute

Pierre Naftule sei glücklich gewesen, wenn die Leute lachten, erzählt Martin Heule. Und diese Mission nahm er ernst: «Er stand bei der Hauptprobe jeweils hinter dem Theatervorhang und zählte die Lacher. Mindestens drei pro Minute waren gut – besser vier.»

Falls es zu wenige Lacher gab, habe Naftule so lange am Text und mit den Schauspielern gearbeitet, bis es so weit war.

Er machte die Comedy-Szene stark

«Pierre Naftule war ein diskreter, zurückhaltender Mensch, aber auch sehr grosszügig», erinnert sich Martin Heule. Und er konnte weit mehr als Polit-Satire und Witze, die auch mal an der Grenze zum Sexismus kratzten.

So verhalf er der Westschweizer Comedyzene zu dem, was sie heute ist. «Wenn es heute in der Westschweiz so viele erfolgreiche Comedians gibt, dann ist das auch sein Verdienst», sagt Heule. Von den älteren Westschweizer Comedy-Grössen wie Yann Lambiel bis zu den jungen Talenten Thomas Wiesel und Marina Rollman.

So hinterlässt der Produzent, Autor und Regisseur nicht nur sein eigenes Komik-Erbe, sondern prägte auch die nächste Generation der Unterhaltung in der Romandie.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 21.03.2022, 17:10 Uhr ; 

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