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Elmo und die Emotionen: Soziologin Katja Rost im Gespräch
Aus Kultur-Aktualität vom 12.02.2024. Bild: Keystone / VICTORIA WILL
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Plattform X als Kummerkasten Elmo fragt, wie es uns geht – und geht viral

«Wie geht es euch allen so?», fragte die «Sesamstrasse»-Puppe Elmo letzte Woche auf der Plattform X. Einfache Frage – erstaunliche Reaktionen: Über 20’000 Menschen haben bisher darauf geantwortet. Selbst US-Präsident Joe Biden reagierte auf den viralen Tweet. Die allermeisten Antworten fielen negativ aus: «Wir sind müde, Elmo», ist da zu lesen. «Ich bin an meinem Tiefpunkt angelangt.» Oder auch: «Elmo, ich bin deprimiert und pleite.»

Offenbar scheint Elmo mit seiner Frage einen Nerv getroffen zu haben. Für die Soziologin Katja Rost von der Universität Zürich ist das ein Zeichen, dass Kanäle fehlen, über die man seine Emotionen ausdrücken kann.

Katja Rost

Katja Rost

Soziologin

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Katja Rost, geb. 1976, hat seit 2012 den Lehrstuhl für Soziologie an der Universität Zürich inne. Sie studierte Soziologie an der Universität Leipzig, promovierte in Wirtschaftswissenschaften an der TU Berlin und habilitierte an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich. Ihre Schwerpunkte sind Wirtschafts- und Organisationssoziologie.

SRF: Wie beurteilen Sie diese heftigen negativen Reaktionen auf eine simple Nachfrage nach dem Gemütszustand?

Katja Rost: Man muss dies zunächst im Kontext betrachten: Die Plattform X ist ja nicht gerade dafür bekannt, euphorisch optimistisch zu sein – es ist eher eine kritische, negative Plattform. In diesem Kontext muss man auch die Kommentare begreifen.

Beziehung, Freundeskreis, Familie – das sollten die Kanäle sein, wo man so etwas emotional ausdrücken kann.

Zum anderen zeigt es auch den Gemütszustand einer Gesellschaft. Aus der Forschung ist bekannt, dass in den USA eine sehr starke Polarisierung stattgefunden hat – eventuell spiegeln diese Kommentare auch dies wider.

Die Menschen, die auf die Frage reagiert haben, sind sich sehr wohl bewusst, dass Elmo eine Kunstfigur ist – und trotzdem haben sie die Gelegenheit genutzt, ihren Frust auszudrücken. Brauchen wir mehr solcher Kanäle, wo die Leute ihr emotionales Befinden kundtun können?

Ich glaube nicht. Die Reaktionen zeigen eher, dass anscheinend die Kanäle zwischen Menschen fehlen. Normalerweise sagt man ja solche Dinge in einer Beziehung, im Freundeskreis, in der Familie – das sollten eigentlich die Kanäle sein, wo man so etwas emotional ausdrücken kann und auch Rückhalt bekommt.

In den USA ist man immer ein Stück grossspuriger – entsprechend lauter wird das dann präsentiert.

Eventuell zeigt sich hier auch, was man schon länger in unserer Gesellschaft beobachtet: Dass Leute vermehrt alleine durchs Leben gehen und solche Rückpufferungszonen über soziale Kontakte fehlen.

Die Reaktion auf Elmos Frage hat so hohe Wellen geschlagen, dass sogar US-Präsident Joe Biden reagiert hat: Auf X sprach er der Bevölkerung Mut und Hoffnung zu. Lässt sich diese Stimmungslage auch in Europa beobachten – oder hat dies vor allem mit dem Zustand in den USA zu tun?

Das hat schon eher mit dem Zustand in den USA zu tun: sowohl mit den dortigen gesellschaftlichen Verhältnissen als auch, wie man mit solchen Themen gesellschaftlich umgeht. In den USA ist man immer ein Stück grossspuriger – entsprechend euphorischer oder lauter wird das dann präsentiert, als dies bei uns der Fall ist.

Wie steht es mit dem Wohlbefinden in der Schweiz – gibt es aktuelle Studien, die etwas dazu sagen?

Prinzipiell gilt die Schweiz als eines der Länder mit der weltweit höchsten Lebenszufriedenheit. Dies hat verschiedene Gründe – etwa der Wohlstand, die demokratischen Institutionen, gute Bildung und eine gute Gesundheitsversorgung.

Allerdings lässt sich in reichen Ländern weltweit beobachten, dass es den jungen Leuten nicht mehr so gut geht, wie das früher der Fall war. Die Gründe dafür sind noch nicht richtig erkannt, aber man vermutet unter anderem einen sehr starken Leistungsdruck durch die Gesellschaft.

Das Gespräch führte Igor Basic.

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 12.02.2024, 17:10 Uhr.;

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