In seinem Podcast philosophiert der Journalist Fabian Hart über das Mannsein: Mit «Zart bleiben» sollen verfestigte Stereotypen aufgeweicht werden. Denn die Erwartungen an Männer schränken nicht nur sie selbst ein, sondern alle Geschlechter.
SRF: In Ihrem Podcast geht es um Männlichkeit. Warum ist der erste Gast dann die Autorin Sibylle Berg – eine Frau?
Fabian Hart: Um direkt klarzumachen, dass traditionelle Männlichkeit nicht reine Männersache ist. «Zart bleiben» ist kein Podcast nur für Männer, sondern der Podcast über Männlichkeit.
Denn Männlichkeit im traditionellen Sinn und der damit einhergehende Erwartungskatalog betrifft nun mal nicht nur Männer, sondern sie schränkt alle Geschlechter ein. Das konnte mir bisher auch jeder Gesprächspartner und jede Gesprächspartnerin im Podcast bestätigen.
Inwiefern?
Sibylle Berg erzählte mir, dass sie als junge Erwachsene fest davon überzeugt war, ein Mann zu sein. Alle Eigenschaften, die sie mit einer Frau assoziierte – etwa warm, weich und fürsorglich – fand sie in sich selbst nicht wieder. Als sie begann, Bücher zu publizieren, wurde ihr gesagt: «Du schreibst ja wie ein Mann». Und trotzdem hat man sie als Frau in der Öffentlichkeit immer nur auf ihr Aussehen reduziert.
Wir halten am unrealistischen Ideal vom immer starken Mann fest.
Ähnliches erzählte mir Herbert Grönemeyer: Als junger Mann fand er auf seinem Kopfkissen einst einen Brief seiner Mutter. Darin bat sie ihn, er solle nicht mehr so viel Schmuck tragen, das wirke zu feminin. Die Vorstellung davon, wie ein Geschlecht zu sein hat, ist also tief in uns allen verankert. Mit «Zart bleiben» möchte ich Menschen dazu bringen, über Geschlechterrollen nachzudenken.
Wollen Sie Männer dazu anregen, ihre zarten Seiten zu entdecken?
Der Podcast ist ein Aufruf insbesondere an Männer, sich mit ihrer gesellschaftlichen Rolle und Identität kritisch auseinanderzusetzen und diese zu hinterfragen. Frauen emanzipieren sich seit vielen Jahrzehnten aktiv von ihrer Rolle als das «schwache Geschlecht». Männer sind da wesentlich untalentierter.
Wir halten noch immer am unrealistischen Ideal vom immer starken Mann fest und schämen uns davor, «unmännlich» zu wirken. «Zart bleiben» soll verinnerlichte Geschlechterstereotypen aufweichen und uns daran erinnern, dass wir alle gleich auf die Welt kommen: Schutzlos und hilfsbedürftig. Wir sind alle Zartgeborene. Und so sollten wir das auch als erwachsene Menschen beibehalten.
Liefert dieser Podcast schlussendlich ein neues Männerideal?
Nein, und das gibt es so auch nicht. Ich stehe für eine neue Vielfalt und ein diverses Männerbild. Idealerweise spricht man in Zukunft also nicht von der einen Männlichkeit, sondern von verschiedenen Männlichkeiten.
Was dieser Podcast liefert, ist die kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff und die Botschaft: Hinter all den Zuschreibungen, gesellschaftlichen Erwartungen und Rollenbilder wartet eine grosse neue Freiheit für alle Geschlechter. Das ist die optimistischere, hoffnungsvollere Weise darüber zu berichten, als wenn man den Männern sagt: Ihr steckt in einer Identitätskrise.
Das Gespräch führte Laura Bachmann.