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Privatjets, Villen, Jachten Nach mir die Sintflut: Viele Reiche kümmert das Klima nicht

Je reicher jemand ist, umso grösser ist sein CO₂-Fussabdruck. Auch der von Verleger und Autor Julien Backhaus. Das ist ihm aber egal.

Julien Backhaus zelebriert seinen Erfolg. Er ist Verleger, Autor und nach eigenen Angaben Selfmade-Millionär. Stets in gut geschnittenem Hemd und Anzug. Aktiv auf Social Media. Es gibt Videos von ihm, in denen er am Schreibtisch sitzt, hinter sich ein wandfüllendes Gemälde – ein Porträt von ihm selbst. Auch eine Jacht und ein Privatjet sind abgebildet.

Privatjet bevorzugt

Beruflich fliegt er gern und oft, meist Kurzstrecken. «Ich habe jeden Tag viele Termine. Da kann ich mich nicht nach dem Flugplan der Lufthansa richten.» Er schätzt den Komfort, nicht S-Bahn fahren zu müssen. «Es riecht und stinkt und man wird angerempelt.»

mittelalter Mann vor einem Privatjet, scheint gerade ausgestiegen, im Anzug und mit Handy in der Hand.
Legende: Julien Backhaus bezeichnet sich als Selfmade-Millionär und hat mehrere Bücher rund um das Thema Erfolg veröffentlicht. Julien Backhaus

Doch sein Komfort kostet Julien viel Geld und das Klima eine miserable CO₂-Bilanz. Manche Privatjets stossen in nur drei Flugstunden so viel C0₂ aus, wie ein Durchschnittsschweizer in einem Jahr verbraucht. Das Verhalten von Julien Backhaus ist damit für das Klima deutlich schädlicher als das Verhalten vieler anderer: «Ich muss das nicht rechtfertigen. Ich habe eine Möglichkeit gefunden, schnell und effizient zu reisen. So wie Tausende andere auch.»

Effizienz statt Klimaschutz

Privatjets erleben einen Boom. In Europa ist im letzten Jahr die Zahl der Privatjetflüge um 64 Prozent gestiegen. Mit fast 100 Starts pro Tag ist die Schweiz auf Platz sechs der europäischen Länder mit den meisten Flügen von Privatjets gelandet. Pro Kopf steht die Schweiz gar an der Spitze der Rangliste, wenn man den kleinen Inselstaat Malta ausklammert.

Greenpeace fordert ein Verbot von Privatjets. Sie würden zur «rücksichtslosesten Form der Mobilität» gehören. Zwar machen sie nur einen Bruchteil der globalen Luftfahrtemissionen aus, pro Kopf haben sie aber eine schlechte Klimabilanz.

Mit einem Medianlohn in der Schweiz gehört man bereits zu dem einen Prozent der Reichsten weltweit und hat damit eine miserable Klimabilanz.
Autor: Dominic Roser Klimaethiker

Für Backhaus kein Argument: «Der Effizienzgewinn eines Businessjets ist riesengross. Dieser Wettbewerbsvorteil ist es manchmal wert, einen Privatjet zu buchen.»

Julien Backhaus ist einer der wenigen Reichen, die sich und ihren Lebensstil porträtieren lassen im Zusammenhang mit der Klimathematik. Er ist regelmässig im Fernsehen zu Gast. Auf die Interviewfrage einer ZDF-Moderatorin, wie er seiner Verantwortung für die Umwelt nachkomme, antwortet Backhaus lakonisch: «Nach mir die Sintflut. Ich hab keine Kinder.»

Wohlstand ist ein Klimakiller

Die Daten sind klar:Je wohlhabender ein Mensch ist, desto mehr heizt er mit seinem Lebensstil das Klima auf. Allein die wenigen reichen Menschen, nur ein Prozent der Weltbevölkerung, stossen extrem hohe Mengen an Treibhausgasen aus: 8.5 Milliarden Tonnen in einem Jahr. Das ist mehr als die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung mit 6.1 Milliarden Tonnen.

Während Schweizer und Schweizerinnen im Durchschnitt etwa 14 Tonnen Treibhausgase ausstossen, kommen Millionäre im Schnitt auf mehr als 100 Tonnen pro Kopf pro Jahr. Die reichsten Menschen der Welt, eine kleine Gruppe globaler Multimillionäre, sind für noch viel mehr Emissionen verantwortlich. Wer mindestens 20 Millionen Franken besitzt, verursacht im Schnitt mehr als 2300 Tonnen Treibhausgase pro Jahr: mit Jachten, Villen, Flügen und klimaschädlichen Investitionen.

Fakt ist auch: Die Folgen der Klimakrise treffen zuerst jene Menschen und Regionen, die die Krise am wenigsten verursacht haben.

Schlechte Bilanz für den Durchschnittsschweizer

Die Klimakrise ist auch eine Gerechtigkeitsfrage. Dominic Roser ist Klimaethiker an der Universität Fribourg. «Der Verbrauch von Superreichen ist zutiefst ungerecht.» Man dürfe es sich aber nicht zu bequem machen mit einfachen Schuldzuweisungen: «Ja, ein Privatjet verbraucht in drei Flugstunden so viel CO₂ wie ein Durchschnittsschweizer in einem Jahr. Aber eine Durchschnittsschweizerin braucht wiederum in nur drei Tagen so viel Energie wie ein Mensch in der Zentralafrikanischen Republik.»

mittelalter Mann, schwarze, schmale Brille, dunkles Haar, dunkler Kragenpulli. Schaut in Kamera.
Legende: Dominic Roser ist Ökonom und Philosoph. 2016 erschien sein Buch «Ethik des Klimawandels. Eine Einführung». Dominic Roser

Dasselbe Ungleichverhältnis, wie es zwischen Durchschnittsschweizerinnen und Superreichen besteht, gibt es auch zwischen Durchschnittsschweizern und Menschen in Armut. «Mit einem Medianlohn in der Schweiz gehört man bereits zu dem einen Prozent der Reichsten weltweit und hat damit eine miserable Klimabilanz», so Roser.

Wer nur auf die Superreichen zeigt, macht es sich zu einfach. Letztlich ticken viele wohl ähnlich wie Julien Backhaus. Der eigene Verbrauch wird relativiert: «Meine Flüge haben keinen Einfluss auf die globale Klimadynamik.»

Schwierige Gerechtigkeitsfragen

Fürs Allgemeinwohl schränke er sich nicht ein: «Ich habe einen Grundsatz. Ich will niemandem aktiv schaden. Ich würde also niemandem etwas wegnehmen oder jemanden schlagen.» Eine Moralvorstellung, wie man sie schon im Kindergarten lernt.

Andererseits verweist die Aussage auf ein Problem in der Debatte rund ums Klima. Die Gerechtigkeitsfragen sind viel komplexer, weil Handlungen und Folgen entkoppelt sind: «Die Ursache-Wirkungs-Kette ist indirekt. Unsere Handlungen haben jahrzehntelange Folgen und wirken rund um den Globus.»

Man will uns unsere Art zu leben und unsere Art des Wirtschaftens streitig machen. Individualisten werden verteufelt.
Autor: Julien Backhaus Medienunternehmer

Die Klimakrise ist kein konkretes Ereignis, sondern die Verkettung dynamischer Prozesse. Sie ist Resultat von massivem Kohlenstoffausstoss. Seit 1990 hat die Menschheit (vor allem im Westen) mehr CO₂ ausgestossen als zuvor in ihrer gesamten Geschichte.

Der vermeintliche Freiheitskämpfer

Der Weltklimarat hat im September 2022 nochmals eindringlich gewarnt, dass schon 1,5 Grad Erwärmung dramatische Folgen für das Leben auf der Erde hätten.

Julien Backhaus leugnet die Fakten nicht. Er geht davon aus, dass es 4 Grad wärmer wird. «Wir müssen uns an den Klimawandel anpassen.» Für ihn ist klar: Er will sich nicht einschränken. Er zelebriert Egoismus als Erfolgsfaktor – auf Social Media und in seinen Büchern.

Er zeichnet das Bild eines Bedrohten, sodass er im Pathos eines Freiheitskämpfers dagegenhalten kann: «Man will uns unsere Art zu leben und unsere Art des Wirtschaftens streitig machen. Individualisten werden verteufelt. Aber ich verteidige diese Freiheit.»

Die «bedrohte Freiheit» ist aber keine. Julien Backhaus darf so viel fliegen, wie er will. Und alle, die es sich leisten können, dürfen so viel konsumieren, wie sie wollen. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Privatjets als Katalysator für nachhaltiges Fliegen?

In der Schweiz gibt es keine Partei, die ein Privatjetverbot verlangt. Allerdings fordert die Grüne-Nationalrätin Isabelle Pasquier-Eichenberger in einer Motion den Bundesrat dazu auf, einen Massnahmenplan zu erarbeiten: Der Flugverkehr von Privatjets soll reduziert werden. «Die Schweiz hat das dichteste Schienennetz Europas. Privatjets sind da einfach nicht mehr akzeptabel.» Ähnliche Bestrebungen gibt es auch in Frankreich und Holland.

Anders sieht man das beim Schweizer Branchenverband für Geschäftsfliegerei (SBAA). «Ein Verbot oder noch mehr Regulierung ist der falsche Weg», sagt Vizepräsidentin Helene Niedhart. Aber die Branche müsse sauberer werden: «Die Businessjetbrache ist ein gutes Testlabor für nachhaltige Kraftstoffe und Technologien, die später auch die gesamte Luftfahrtbranche nachhaltiger machen könnten.»

mittelalter Mann in blauem Hemd sitzt in Privatjet, weisse Ledersessel, ein silbernes Macbook vor sich.
Legende: Julien Backhaus vertritt seine Haltung zum Klimaschutz öffentlich. So war er in der ARD-Dokumentation «Das Klima und die Reichen» zu sehen. Julien Backhaus

Niedhart betont ebenfalls, wie wichtig Business-Jets für die Wirtschaft seien, gerade für Firmen, die global tätig sind, und «mit rund 35'000 direkten und indirekten Arbeitsplätzen leistet die Geschäftsluftfahrt einen wichtigen Beitrag für die Wirtschaft».

Auch Julien Backhaus hofft auf technischen Fortschritt. «Wir sollten mehr in grüne Technologien investieren. Dann geht es aber nicht, dass wir diesen Industrien mit Verboten das Kapital entziehen.»

Der Wunschtraum vom grünen Fliegen

Theoretisch wäre grüneres Fliegen möglich, etwa mit synthetischen Brennstoffen. Die Forschung dazu steckt aber in den Kinderschuhen. Und die Wissenschaft ist skeptisch, dass diese Technik in nützlicher Frist grossflächig eingesetzt werden kann.

Eine Studie der ETH Zürich kommt zum Schluss, dass die Hoffnung auf klimaneutrales Fliegen auf «sehr ehrgeizigen und möglicherweise nicht realisierbaren technologischen Durchbrüchen» beruhe. Sogar beim optimistischsten Szenario bräuchte es trotzdem noch eine Reduktion des Flugverkehrs.

Freiwilliges Handeln oder Verzichten ist schön, aber häufig ineffizient und ungerecht. Weil dann nur die Pflichtbewussten mitmachen.
Autor: Dominic Roser Klimaethiker

Das deckt sich mit vielen ähnlichen Studien. Eine der meistbeachteten Klimastudien der letzten Jahre war das «Hothouse Earth Paper» um den amerikanischen Chemiker und Klimatologen Will Steffen. Dort ist das Fazit klar: Die Erde muss raus aus dem fossilen Zeitalter. Die Geschwindigkeit, mit der das passieren müsste, vergleicht Steffen mit der einer Kriegswirtschaft.

Ähnlich sieht das Klimaethiker Dominic Roser: «Als Konsumenten und Bürgerinnen stehen wir auch in der Verantwortung. Aber die Herausforderungen der Klimakrise können nicht individuell gelöst werden, es braucht eine fundamentale Abkehr vom eingeschlagenen Weg.»

So sind weltweit nur gerade 100 Unternehmen für 71 Prozent der Treibhausgase der letzten 25 Jahre verantwortlich. Deswegen ist für den Ethiker auch klar, dass es ohne Verbote und klare Richtlinien aus der Politik nicht gehen wird.

Verbote oder freiwilliger Verzicht

Gerade in liberalen Demokratien gibt es aber zu Recht Skepsis gegenüber Verboten, individuelle Freiheiten sind ein hohes Gut. «Verbote haben zu Unrecht einen schlechten Ruf. Die Schweiz hat als eines der ersten Länder Asbest verboten und damit die Gesundheit von Menschen geschützt. Verbote können sehr freiheitsschonend sein», argumentiert Roser. «Freiwilliges Handeln oder Verzichten ist schön, aber häufig ineffizient und ungerecht. Weil dann nur die Pflichtbewussten mitmachen. Das ist demoralisierend.»

Die Zahlen geben ihm recht. Während der CO₂-Ausstoss der meisten Menschen der globalen Mittelschicht seit 30 Jahren etwa gleich bleibt, hat sich der Ausstoss von Multimillionären in derselben Zeit fast verdoppelt, auf 2300 Tonnen pro Kopf und Jahr.

Wenn mich plötzlich alle meiden würden, würde ich schon darüber nachdenken, wie ich das ändern könnte. Ich bin auch ein soziales Wesen.
Autor: Julien Backhaus Medienunternehmer

Und Julien Backhaus? Er ist gegen Verbote und auch gegen freiwilligen Verzicht. Gäbe es doch etwas, das sein Verhalten ändern würde? «Von meiner Community bekomme ich viel Zuspruch und Applaus. Klar gibt es Menschen, die mit mir nichts anfangen können, aber das geht mir mit denen ja genauso.»

Er fühle sich sozial akzeptiert: «Aber wenn mich plötzlich alle meiden würden, würde ich schon darüber nachdenken, wie ich das ändern könnte. Ich bin auch ein soziales Wesen.»

Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 04.08.2023, 09:03 Uhr

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