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Rennfahrer in Geschwindigkeitsunschärfe bei der Tour de Suisse
Legende: Tour de Suisse: Die Berichterstattung ist heute nah dran am rasend schnellen Geschehen. SRF/Christian Wyss

Radrennen am TV «Die Tour de Suisse ist eine Geschichte Schweizer Innovationen»

Der ehemalige Radrennfahrer und Produktionsleiter Sergio Gerosa spricht über Schweizer Erfindergeist und die Tour de Suisse.

Das Wichtigste in Kürze

  • Heute vor über 80 Jahren startete die Tour de Suisse zum ersten Mal.
  • Zahlreiche Innovationen in der Fernsehberichterstattung bei Radrennen kommen ursprünglich aus der Schweiz und sind heute weltweit Standard.
  • Die technischen Innovationen im Radsport widerspiegeln die Bedürfnisse der heutigen Gesellschaft.

Am 28. August 1933 startet die Tour de Suisse zum ersten Mal. Davon gibt es keine Bilder. Aber: Eines der ältesten Dokumente im Fernseharchiv ist die Tour-de-Suisse-Etappe von Zürich nach Chur von 1937.

Eine absolute Rarität: ein Stummfilm in Schwarz-Weiss mit Zwischentiteln. Die Bilder lieferten riesige Kameras – auf Podesten oder auf Autos geschnallt. Das Ereignis wurde auf knapp sieben Minuten zusammengeschnitten und erst Tage später gezeigt.

SRF: Sergio Gerosa, Sie sind in den 70er-Jahren selber Rennen gefahren und waren später beim Schweizer Fernsehen 14 Jahre lang der Produktionsleiter für die Tour de Suisse, wie kam es dazu?

Zur Person

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Sergio Gerosa fuhr 1979 die Tour de Suisse und 1980 den Giro d’Italia.

1981 begann er als Volontär in der Sportredaktion von SRF. Er arbeitete u.a. auch für «Karussel», 10vor10 und «Puls».

14 Jahre lang war er bei SRF Produktionsleiter der Tour de Suisse.

Sergio Gerosa: Mein Vater war Amateurfahrer auf der Radrennbahn in Oerlikon. Er war mehrfacher Schweizer Meister im Vierer und ein guter Sprinter. Die ganze Familie machte Velotouren ins Tessin. Und so wurde ich Mitglied beim Veloclub Höngg. Bei jedem Mittagessen haben wir über Velorennen geredet.

Ich war nicht untalentiert, ein relativ guter Bergfahrer. Dann habe ich eine Lizenz gelöst und auch ein paar Rennen gewonnen. Mein Traum war immer, Profi zu werden. Das habe ich ein Jahr lang gemacht. Und mich nach dem Giro d'Italia entschlossen, aufzuhören. Ich hatte verschiedene Berufsangebote und bin schliesslich zum Fernsehen gekommen.

Vergleicht man die Bilder von 1937 mit denen von heute, dann kann man fast nicht glauben, dass das ein und dasselbe Rennen ist. Was hat sich da verändert in der Berichterstattung?

Das war Weltklasse, was die damals gemacht haben. Das kann man aber nicht mit heute vergleichen. Die Berichterstattung hat sich radikal verändert. Möglich macht das die technische Entwicklung.

Eine solche Innovation ist die sogenannte Trike-Kamera: Eine fünffach gelagerte Spezialkamera, die normalerweise für Hubschrauberaufnahmen eingesetzt wird. Die haben wir, auf Tipp eines Regisseurs von SRF, Beni Giger, auf ein dreirädriges Motorrad montiert.

Das ergab spielfilmähnliche Bilder, wie man sie noch nie gesehen hatte.

Das war ziemlich aufwendig, aber ergab spielfilmähnliche Bilder, wie man sie noch nie gesehen hatte. Man konnte mit dieser Kamera – mit einem Abstand von 50 Metern aufs Feld – Grossaufnahmen von Gesichtern der Fahrer zeigen, ohne dass es verwackelt ist.

Welche weiteren Innovationen gab es während Ihrer Zeit als Fernsehproduzent der Tour de Suisse?

Zum Beispiel die Velokamera. Die hatte nichts mehr mit den riesigen Kameras von 1937 zu tun. Unsere erste Velokamera, die wir direkt ans Rad geschnallt haben, wog 380 Gramm. Das gab spektakuläre Bilder. Wir haben nicht ins Feld hinein gefilmt, wir bekamen Bilder direkt aus dem Feld heraus.

Da sieht man jetzt, wo das möglich ist, die ganze Höllenanstrengung, die Gesichter, den Schweiss, der von der Nase tropft. Die Technik hat diese Bilder ermöglicht und die Tatsache, dass Leute bei uns zusammen gearbeitet haben, die Neues ausprobieren wollten.

tpc

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Als Tochtergesellschaft der SRG SSR ist tpc verantwortlich für die gesamte Technik und Produktion der Fernseh-, Radio- und Multimediabeiträge von Schweizer Radio und Fernsehen SRF.

Eine Weltpremiere hatten wir übrigens auch: 2006 wurde erstmals an einem Radrennen live aus einem Tunnel gesendet. Das war die Etappe nach Malbun, als die Fahrer circa drei Kilometer vor dem Ziel einen 500 Meter langen Tunnel durchfahren mussten.

Moderne Antennen- und Satellitentechnik machte das möglich. Ein ähnliches System, das die tpc-Techniker der SRG erfunden hatten, kam an den olympischen Spielen 2008 in Peking in den Tunnels zum Einsatz.

2017 passierte die Tour de Suisse einen 1700 Meter langen Tunnel, der 400 Meter vor dem Ziel auf über 2700 M.ü.M. endete. Aus diesem rekordverdächtig langen Tunnel sendeten wir problemlos.

Was hat sich über die 80 Jahre verändert, wenn man aus einer kulturellen Perspektive auf die Tour de Suisse und die Berichterstattung schaut?

Buchhinweis

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Martin Born und Marc Locatelli: «Tour de Suisse», Edition Moderne, Zürich 2017

An der Beachtungsentwicklung des Radsports kann man gesellschaftliche Veränderungen ablesen. Wenn man die Bilder von '37 sieht, da stehen links und rechts der Strasse Tausende. Das war spektakulär, das gab es damals kaum.

Heute leben wir im Überfluss an Events. Der Radsport muss heute um Beachtung kämpfen und das zeigt auch eine symptomatische Veränderung von Gesellschaft.

Der technische Fortschritt spiegelt sich im Radsport wie im Leben von uns allen: Wir können alle nicht mehr leben ohne Smartphone. Das gab's 1937 alles nicht. Noch etwas: Früher war nur das Radio live, seitdem das Fernsehen auch live berichtet, gibt es ein Vordringen ins Intime. Man zeigt Menschen in Grenzsituationen aus allernächster Nähe. Die Fahrer wissen das und verstecken sich mittlerweile im Feld, wenn die Kamera kommt.

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