Während einer Gerichtsverhandlung dürfen Richterinnen oder Gerichtsschreiber keine religiösen Symbole tragen. So will es ein neues Reglement des Kantons Basel-Stadt. Dieser Fall zeigt exemplarisch, dass Staatsangestellte unabhängig und neutral sein sollten. Doch so einfach ist es nicht.
«Wenn jemand ein religiöses Symbol trägt, sollte das die Neutralität des Staats nicht in Frage stellen», ist Staatsrechtler Andreas Stöckli überzeugt. «Es kommt doch darauf an, dass sich ein Richter eine eigene Meinung bilden kann – egal welcher Religion oder Partei er angehört», so Stöckli.
Was ist neutral?
Bei Richterinnen oder Lehrern sorgen religiöse Symbole immer wieder für Diskussionen. Hingegen wird ihre mögliche Parteizugehörigkeit kaum öffentlich kritisiert – bei Richterinnen und Richtern ist sie Voraussetzung, um überhaupt gewählt werden zu können. Und: Auch sie kann die Neutralität und Unabhängigkeit in Frage stellen.
Deshalb plädiert Andreas Stöckli für ein offenes Neutralitätsverständnis des Staates: Religion dürfe durchaus Platz in der Öffentlichkeit und im öffentlichen Dienst haben. Schliesslich gelten die Grundrechte der Religionsfreiheit und des Diskriminierungsschutzes auch für Staatsangestellte.
Religion im Bewerbungsverfahren
Ein gewisses Problem punkto Religion in staatlichen Institutionen erkennt Andreas Stöckli in der Phase der Bewerbung: Es wird immer wieder von Fällen berichtet, in denen Leute eine Stelle nicht bekommen, weil sie einer bestimmten Religion angehören oder einen bestimmten ethnischen Hintergrund haben.
«Bei einem Bewerbungsgespräch ist man grundsätzlich nicht verpflichtet, über seine Religiosität Auskunft zu geben», sagt Professor Stöckli. Er ergänzt: «Wer trotzdem gefragt wird, darf lügen».
Wenn jedoch eine Ärztin aus religiösen Überzeugungen etwa keine Abtreibungen durchführen wolle, müsse sie das bei einem Bewerbungsgespräch transparent machen: «Sonst könnte das im Nachhinein negative Konsequenzen haben und bis zur Kündigung führen.»
Vielfalt fördern
: Was heisst das?
Unsere Gesellschaft und daher auch die Arbeitswelt werden religiös immer vielfältiger. Daher setzten sich zunehmend auch Privatunternehmen mit der vermeintlichen Privatsache Religion auseinander. Auch sie sind verpflichtet, die Religionsfreiheit ihrer Angestellten zu gewähren und sie vor Diskriminierung zu schützen.
Insbesondere Grossunternehmen bemühen sich um Vielfalt ihrer Angestellten, wenn es um Geschlecht, Alter, Nationalität oder eben Religion geht. «Allerdings wird selten ausgeführt, was das in Bezug auf Religion genau heisst», sagt Nathalie Amstutz. Sie ist Professorin für Gender- und Diversitätsmanagement an der Hochschule für Wirtschaft an der FHNW in Olten.
Religionsfreundliche Unternehmenskultur
Unternehmen bemühen sich zwar, in ihren Kantinen religiöse Speisegesetze zu beachten oder adäquate Gebetsräume zur Verfügung zu stellen. Allein mit der Infrastruktur sei es aber noch nicht getan, findet Nathalie Amstutz: «Es geht auch um eine Firmenkultur, in der zum Beispiel diskriminierende Witze und Sprüche keinen Platz haben.»
Gerade die diskriminierende Bedeutung von Sprüchen und Witzen werde unterschätzt. Auch, weil sie oft mit Rassismus und Sexismus verbunden seien. Da müsse der Betrieb eingreifen, sagt Nathalie Amstutz: «Diese Art der Kommunikation ernst zu nehmen ist Aufgabe des Betriebs. Sie sollte nicht an jene Personen abgeschoben werden, die diese Sprüche und Witze zu hören bekommen.»