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Religion und Umweltbewegung Die Kirche könnte mehr für die Umwelt tun

Die Kirche gelobt schon lange, sich für die Umwelt stark zu machen. Eine Studie zeigt aber, dass mehr Engagement möglich wäre .

Die christliche Ökumene verschrieb sich bereits 1983 in Vancouver den Werten «Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung». Doch das Ergrünen der Kirchen ist ausgeblieben. Dies zeigt die neue Nationalfondstudie « Urban Green Religions ». Kirchen und Religionen sind nicht so grün, wie Bibel oder religiöse Ethiken hätten erwarten lassen.

«Urban Green Religions»: Resultate der Studie

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Ein Forschungsteam der Uni Basel interviewte in der Nationalfonds-Studie 67 Vertreter von Religionsgemeinschaften sowie Menschen, die sich in Schweizer Städten für den Umweltschutz engagieren.

Der Studie zufolge beziehen Gläubige ihre Motivation, sich gegen den Klimawandel einzusetzen, nicht oder nicht primär aus ihrer Religion, sondern aus Wissenschaft und Medien.
Religiöse Akteurinnen und Akteure engagieren sich seit einigen Jahren stärker für den Umweltschutz und äussern sich öffentlich.

Dieses «Ergrünen der Religionen» führt die Studie vornehmlich auf Impulse aus der breiten Öffentlichkeit und der Klimajugend zurück.
Religiös-ethische Werte verschiedenster Religionen decken sich mit den Werten der neuen Umweltbewegung wie Verzicht, Klimafasten oder Vegetarismus. Religiöse Exponenten wie Papst Franziskus fallen ins Gewicht. Die enormen Ressourcen, welche Religionen für den Umweltschutz zur Verfügung stellen könnten, werden aber bei Weitem nicht ausgeschöpft.

Das Nationalforschungsprojekt « Urban Green Religions » ist angesiedelt am Zentrum Politik Wirtschaft Religion der Universität Basel mit Jens Köhrsen als Koordinator. Julia Blanc und Fabian Huber arbeiteten für die Studie.

Landeskirchen investieren in Umweltkampagnen

In Deutschland und der Schweiz passiere zwar einiges zum Thema Umweltschutz, erklärt Jens Köhrsen. Der Soziologe und Theologe an der Uni Basel ist Leiter der Studie. Besonders die Landeskirchen investieren Geld und Personal in Umweltkampagnen.

Der ökumenische Verein «Oeku – Kirchen für die Umwelt» etwa bietet Lehrgänge in Umweltmanagement an, zeichnet mit dem Label «Grüner Güggel» energetisch sanierte Kirchengebäude aus und widmet sich jeden September mit dem Kampagnen-Monat «Schöpfungszeit» Klimafragen.

Nur die lokale Umsetzung hapert

Auf lokaler Ebene, in den Kirchengemeinden, gestalte sich die Umsetzung der Programme jedoch schwierig, erklärt Köhrsen. Das habe auch mit mangelnden Ressourcen zu tun: Kleine Gemeinden mit wenig Geld und Personal kämpfen um ihr Überleben. Sie müssen zuerst die religiöse Grundversorgung ihrer Mitglieder sicherstellen, soziale Aufgaben wahrnehmen, sich um Geflüchtete kümmern und zuletzt – falls noch Kraft übrig ist – um Klimaschutz.

«Oeku – Kirchen für die Umwelt»

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Der ökumenische Verein Oeku schafft seit 25 Jahren Know-How, wie Kirchen grüner werden können. Den September macht Oeku jedes Jahr zum Kampagnenmonat «Schöpfungszeit».

Oeku bietet Lehrgänge in Umweltmanagement und vergibt das Label «Grüner Güggel». Kirchen mit diesem Label verpflichten sich, ihren Energieverbrauch zu senken, Gebäude nachhaltig zu sanieren und weniger Heizkosten zu verursachen. Das braucht Investitionen, Zeit und Engagement.

So machen längst nicht alle Kirchgemeinden bei den Programmen der Landeskirchen mit. Und längst nicht alle Pfarrpersonen predigen im Schöpfungsmonat gegen den Klimawandel. Den «Grünen Güggel» tragen gerade mal 31 Kirchengemeinden in der Schweiz.

Kirchen folgen dem Umwelt-Trend

Trotzdem nimmt die Umweltbewegung in den Kirchen Fahrt auf. Das hänge vor allem damit zusammen, dass das Thema grössere gesellschaftliche Relevanz eingenommen hat, meint Köhrsen. «Das Thema ist öffentlich sichtbar geworden. Nun schauen die Kirchen, dass auch sie dieses Thema besetzen.»

Obwohl Kirchen hierzulande an Bedeutung verlieren, betont Köhrsen das grosse Potential, das Religionen im Kampf gegen den Klimawandel zukommen könnte. Besonders in Amerika oder Afrika sei das Vertrauen der Bevölkerung in Geistliche oft höher als der Glaube an die Politik. «85 Prozent der Bevölkerung gehören noch immer einer Religion an. Da besteht ein grosser Hebel, mit dem diese 85 Prozent zu einem ökologischerem Leben bewegt werden könnten.»

Beispiel USA: religiös heisst nicht immer grün

Noch wird jedoch nicht am selben Strick gezogen. Oftmals hätten religiöse Gemeinschaft andere Vorstellungen davon, wie man sich zur Umwelt verhalten sollte – ob wir zum Beispiel die Natur und Tiere eher schützen sollten, oder ob wir die Umwelt als Ressource betrachten, die wir nutzen können.

Religionen können dadurch auch ganz und gar nicht grün sein, zum Beispiel in den USA: Dort unterstützen einflussreiche evangelikale Prediger Donald Trumps Politik. Die Klimakatastrophen interpretieren sie als hoffnungsfrohes Anzeichen für das Kommen der Endzeit. Salopp gesagt: je mehr CO2 wir ausstossen, desto schneller kommt das Reich Gottes.

Diese Haltung stösst bei reformierten und katholischen Kirchen auf Ablehnung. Gerade hierzulande, wo das Ergrünen der Kirche langsam voranschreitet.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 23.7.2021, 7:06 Uhr ; 

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