Fein das Futter, samten der Umhang, teuer das Gewand: Was die Könige einst trugen, bestach durch ausgewiesene Eleganz. Heute reicht ein schlichtes Shirt, um erhaben zu wirken.
Grau ist zum neuen Purpur avanciert. Und Baumwolle zum Stoff, in den es sich zu hüllen gilt. Nun schwingt Emporkömmling Mark Zuckerberg das Zepter – Datenmissbrauch hin oder her.
Herrschaft der Besten
Zusammen mit Seinesgleichen wie Google-Chef Larry Page oder Apple-Boss Tim Cook bildet er die Aristokratie des digitalen Zeitalters. Im Gegensatz zu früher gehört zu dieser Elite aber nicht mehr, wer die richtige Abstammung hat, sondern, wer die richtige Leistung erbringt. Ihre Mitglieder zelebrieren eine Herrschaft der Besten.
Hof halten die selbsterkorenen Adligen im kalifornischen Silicon Valley. Hier besitzen sie ihre Ländereien. Doch das reicht ihnen nicht. Die ganze Welt soll ihnen gehören.
Modernes Söldnerwesen
Wie ihre royalen Vorgänger unternehmen Zuckerberg und Co. Eroberungsfeldzüge – mit Tech-Firmen, die den Globus umspannen. Sie bescheren ihnen Vermögen, die das Bruttoinlandsprodukt ganzer Nationen übertreffen.
Heerscharen junger Arbeitssuchender erliegen dem Lockruf der heutigen Konquistadoren. Sie strömen zu ihnen und sehnen sich nach dem Ritterschlag: einer Anstellung. Damit formt sich das Söldnerwesen der Moderne: im Dienst der technologischen Avantgardisten zu stehen.
Wir versklaven uns selbst
Der Macht von Tech-Giganten jedoch erliegen wir alle. Wer das Internet nutzt, begibt sich in Abhängigkeit, wird zum Sklaven der eigenen Digitalität. So lebt eine alte Gesellschaftsordnung wieder auf: der Feudalismus.
Allerdings gibt es einen Unterschied: Die Version 2.0 knüpft Herrschaft nicht mehr an realen Grund und Boden, sondern an Präsenz im virtuellen World Wide Web.
Gleich geblieben ist dagegen, dass auch diese neuen Könige Freiheitsrechte einschränken: Sie kontrollieren unsere Daten – und verdienen erst noch kräftig daran.
Die Daten sind die Steuern, die wir den Tech-Giganten für die Nutzung ihrer Dienste zahlen. Das erinnert ans Mittelalter, als die Aristokraten von den Untertanen ebenfalls Abgaben verlangten, etwa in Form von Naturalien.
Entsprechend zwiespältig ist unser Verhältnis zu den Tech-Tycoons: Einerseits lieben wir ihre Erfindungen, andererseits hassen wir den Preis, den sie dafür verlangen.
Ab zum Mars
Immerhin: Neo-Royals wie Mark Zuckerberg oder Bill Gates verleihen sich auch edle Züge und spenden Milliarden. Sie inszenieren sich als Ritter, die für eine bessere Welt kämpfen – freilich nur so lange, wie sie diese beherrschen.
Doch damit geben sie sich nicht zufrieden. Sie denken in kosmischen Dimensionen, insbesondere Tausendsassa Elon Musk. Er will zum Mars. Allein, selbst der Weltraum ist den Himmelsstürmern keine Grenze.
Die neuen Götter
Googles Chefentwickler Ray Kurzweil etwa versucht, wunderliche Höhen zu erklimmen. Er möchte den Tod, dieses lästige Übel, überlisten und das ewige Leben erlangen.
Eine Entwicklung, in der manche blasphemische Züge erkennen: Waren Könige einst von Gottes Gnaden, spielt die Elite nun selber Allmächtiger.
Ganz von allem Irdischen können sich die Tech-Gurus aber nicht befreien. Sie fürchten ständig, die Konkurrenz stosse sie vom Thron. Beispiele von erloschenen Dynastien gibt es genug. Oder wer spricht heute noch von Netscape, AOL oder Yahoo?
Lust auf Rebellion
Dann ist da noch diese teuflisch-weltliche Politik. Statt nur zu kuschen, versucht sie mittlerweile, die Macht der Giganten einzuschränken: mit Regulierungen, Steuererhöhungen, Bussen.
Der eine oder die andere hofft wohl schon auf eine Götterdämmerung wie bei der Französischen Revolution. Als Volk und Volksvertreter von den Herrschenden genug hatten, begannen sie zu rebellieren.
Rechtzeitige Warnung
Proteste gegen Aristokraten des 21. Jahrhunderts beenden zum Glück keine Existenzen mehr. Im Gegenteil, sie führen bloss zum Löschen des virtuellen Profils und bescheren uns anschliessend gar ein neues Leben. Der wiedergewonnenen Freiheit sei Dank!
Trotzdem zeigt die Geschichte des Adels: Es braucht Reformen. Dies soll heutigen Königen eine Warnung sein. Sonst könnte es bald heissen: Graue Shirts sind einfach nur grausig.