Sie dürften nicht in der Schweiz sein – doch ihre Arbeitskraft ist hier gefragt. In der Schweiz leben schätzungsweise 90'000 Menschen ohne gültige Aufenthaltsbewilligung.
Oft arbeiten Sans-Papiers in Privathaushalten, in der Gastronomie, auf dem Bau, in der Landwirtschaft. Die meisten kommen aus Drittstaaten und haben wenig Aussichten auf eine Legalisierung.
Zwei Berichte aus dem Schweizer Alltag von Menschen ohne gültige Papiere.
Svetlana, Putzfrau
«Wenn ein Job kommt, mache ich alles», sagt Svetlana. Sie kam vor zehn Jahren mit ihrer Familie in die Schweiz. Ihr Herkunftsland und ihren richtigen Namen möchte sie nicht nennen.
Zunächst war es schwierig für Svetlana, Arbeit als Putzfrau zu finden. Sie konnte kein Deutsch und war auf Mittelsleute angewiesen, die dafür die Hälfte ihres Lohns kassierten.
Wie viele Sans-Papiers ist Svetlana für ihre Arbeit überqualifiziert. In ihrer Heimat hat sie eine Fremdsprache studiert – in der Hoffnung, unterrichten zu können.
Doch dort fand sie keine Stelle, und es gelang ihr nicht, ihre Familie über Wasser zu halten: «Ich habe viele Jobs gemacht: Kinder betreuen, Massage, Pediküre, Verkäuferin – doch es reichte nie, obwohl ich die ganze Zeit gearbeitet habe.» Als ihr eine Bekannte von der Schweiz erzählte, ging Svetlana das Risiko eines illegalen Aufenthalts ein.
Mittlerweile putzt sie in mehreren Haushalten und wird gerne weitervermittelt, auch wenn sich ihre Arbeitgeber dadurch strafbar machen. Durchschnittlich verdient sie 25 Franken pro Stunde.
Svetlana gehört zur Minderheit der Sans-Papiers, die eine Krankenkasse hat und in die AHV einzahlt – dank der Hilfe einer Anlaufstelle. Ihre Daten dürfen dem Migrationsamt nicht gemeldet werden.
Dennoch ist die Angst ihr ständiger Begleiter: Svetlanas Alltag ist eine Gratwanderung zwischen Vertrauen und Vorsicht. Sie muss mit ihrer Familie immer wieder umziehen, weil sie fürchtet, entdeckt zu werden. Eine bezahlbare Wohnung zu finden, sei nahezu unmöglich, erzählt sie.
Dazu kommt die Sorge, dass sich die beiden Kinder in der Schule verraten, oder dass sie auf dem Arbeitsweg in eine Polizeikontrolle gerät.
Draussen hält sich Svetlana so wenig wie möglich auf: «Ich kann nicht einfach spazieren gehen oder draussen sitzen und laut lachen. Ich sehe aus wie ein freier Mensch, aber ich fühle mich nicht so.»
Svetlanas grösste Hoffnung ist, dass sie eines Tages eine Aufenthaltsbewilligung bekommt: «Wir sind hier zuhause und würden gerne bleiben. Die Kinder haben ihre Zukunft schon geplant.»
Nicolaj Petrov, Elektriker
Nicolaj Petrov (Name geändert) wollte weg aus Bulgarien. Die lokale Mafia habe in den 1990er-Jahren sein kleines Café abgebrannt, erzählt er. Er wollte kein Schutzgeld zahlen. Von der Polizei habe er keine Unterstützung bekommen.
Petrov und seine Frau stellten in der Schweiz einen Asyl-Antrag, der abgelehnt wurde. Im Versteckten arbeiteten sie weiter – sie als Putzfrau bei Privatleuten, er auf einem abgelegenen Bauernhof in Baselland. «Ich musste mit allem einverstanden sein, es war schrecklich. Ich habe jahrelang für fünf Franken pro Stunde gearbeitet.»
Nicolaj Petrov erinnert sich ungern an diese Zeit zurück. Wegen der körperlich schweren Arbeit bekam er einen Leistenbruch. Doch da er keine Krankenkasse hatte, traute er sich nicht zum Arzt.
Seine Arbeitgeber hatten kein Verständnis für seine Probleme, erzählt er: «Einmal musste ich dem Bauern beim Betonieren helfen und hatte solche Schmerzen, dass ich weinte. Seine Frau schimpfte, ich sei faul. Das tat mir wirklich weh.»
Als er am Radio von der Sans-Papiers-Bewegung hörte, suchte Nicolaj Petrov den Kontakt und engagierte sich bei der Basler Kirchenbesetzung . Das Risiko, das er damit einging, lohnte sich: Er gehört zu den ersten, die 2001 ein Härtefallgesuch stellten und eine Aufenthaltsbewilligung bekamen.
«Es ist unglaublich, was ein kleines Stück Papier bedeutet. Seit ich es habe, kann ich mich gut ernähren, zum Arzt gehen und mich fühlen wie ein normaler Mensch.»
Heute lebt Nicolaj Petrov mit seiner Frau im Jura und arbeitet seit vielen Jahren in seinem gelernten Beruf als Elektriker. Was er nach dem Leben im Verborgenen besonders schätzt, ist die Bewegungsfreiheit: «Es ist ein super Job. Ich komme in der ganzen Schweiz herum.»
Seine Frau allerdings, die studierte Chemikerin ist, fand den Anschluss nicht mehr. Sie arbeitet bis heute als Putzfrau.