Im Schaufenster steht ein weisses Gestell. Es ähnelt einem modernen Bücherregal. Anstelle von Büchern stehen aber Urnen darin: aus schlichtem Holz in Tropfenform, andere mit Jasskarten bemalt oder mit Sonnenblumen verziert. Entworfen hat die Urnen Alice Hofer, Witwe von Mundartsänger Polo Hofer und Inhaberin der «Praxis für angewandte Vergänglichkeit».
Es ist ein kühler Herbsttag, als ich Alice Hofer in Thun treffe. Das passe wunderbar zum Thema, denn: «Der Herbst zeigt uns, wie wunderschön man sterben kann», sagt Alice Hofer. Wunderschön deshalb, weil der Herbst bunt sei, nicht schwarz.
Überhaupt sei für die 58-Jährige die Natur ein Vorbild, «weil jede Jahreszeit die vorherige ablöst und damit auch erlöst». Nach dem Winter kommt der Frühling. Nach dem Tod komme neues Leben, ist sie überzeugt.
Sich mit dem Tod versöhnen
Alice Hofer glaubt aber nicht nur an ein Leben nach dem Tod. «Ich glaube auch an ein Leben vor dem Tod.» So bedankt sie sich etwa jeden Tag für das erlebte Glück und verabschiedet sich zugleich auch davon: «Ich sterbe jeden Tag ein bisschen.» Dieses Ritual würde ihr helfen, sich mit dem Sterben ebenso wie mit dem Leben zu versöhnen.
Zur Versöhnung und Akzeptanz ermutigt Alice Hofer auch, wenn Menschen zu ihr in die Praxis kommen. Sei es, weil sie eine verstorbene Person betrauern und versuchen, mit dem Schmerz und der Leere umzugehen. Sei es, weil sie sich frühzeitig mit der eigenen Vergänglichkeit auseinandersetzen.
Den eigenen Sarg mitgestalten
«Es ist schon bemerkenswert, wenn jemand zu mir in die Praxis kommt und den eigenen Sarg mitgestalten möchte», findet Alice Hofer. «Es ist ein Bekenntnis zur eigenen Vergänglichkeit.»
Wie genau dann der Prozess ablaufe, sei individuell. Falls jemand keine konkreten Vorstellungen hat, wie der Sarg oder die Urne aussehen soll, entwickelt man Ideen im Gespräch. So hat sich eine Kundin kürzlich für einen hellgrünen Sarg mit Schmetterlingen entschieden.
Im Sarg-Atelier steht aber auch ein blau bemalter Sarg, mit Meersand und echten Muscheln dekoriert. Dieses Modell hat Alice Hofer für sich selbst gestaltet.
Unterdessen sei sie aber unschlüssig geworden: «Ich finde die geflochtenen Särge auch sehr schön. Sie sind weicher, runder als die hölzernen.» Wie das Mose-Körbchen sind die Särge aus Weidenzweigen geflochten. «Mein Sarg soll dann mal mit Heu, Kornblumen oder Lavendel ausstaffiert sein. Das passt gut zu den anderen Naturmaterialien.»
Religion immer wieder Thema
Religion spiele mal mehr, mal weniger eine Rolle. «Wenn die Leute von sich aus das Thema ansprechen, gehe ich darauf ein», sagt Alice Hofer. Sie selbst ist konfessionslos. Vom Alter her seien die Menschen völlig durchmischt. Manchmal kämen auch Kinder vorbei, zum Beispiel «wenn sie ein Särgli für das verstorbene Haustier haben möchten.»
Ob denn mehr Frauen oder Männer zu ihr kommen, will ich von Alice Hofer noch wissen. «Mehr Frauen», sagt sie und ergänzt schmunzelnd: «Männer sind ja unvergänglich. Sie haben kein Problem mit dem Sterben, also müssen sie auch nicht darüber sprechen.»