Heiraten ist kinderleicht: Schmetterlinge im Bauch, ein rauschendes Fest, die Zukunft rosa. Die Ehe hingegen ist schwieriger. Mehr als 40 Prozent der Bündnisse fürs Leben gehen in Brüche. Dann kommt zum Beispiel die Scheidungsanwältin Christine Arndt zum Zug.
SRF: Worüber wird am meisten gestritten in Ihrer Kanzlei?
Christine Arndt: Über den Unterhalt und die Kinder. Das Schweizer Recht lässt den Trennungswilligen wenig Spielraum bei der Aufteilung der Pensionskassengelder oder den gemeinsamen Gütern.
Wieviel Unterhalt kann eine Frau erwarten, wenn sie sich vorrangig um die Kinder gekümmert hat?
Das kommt natürlich auf die finanziellen Verhältnisse an. Grundsätzlich basiert das Schweizer Scheidungsrecht auf dem Gedanken, dass nach einer Scheidung beide für sich selbst aufkommen sollen.
Wer während der Ehe die Familienarbeit übernommen hat und keiner Erwerbsarbeit nachging oder nur Teilzeit gearbeitet hat, muss grundsätzlich ab Kindergarteneintritt des jüngsten Kindes 50 Prozent arbeiten, ab Oberstufe 80 Prozent, ab 16 Jahren 100 Prozent.
Dieses sogenannte Schulstufenmodell basiert auf der Idee, dass die von den Parteien gewählte Rollenteilung nicht von heute auf morgen umgestellt werden soll.
Oft hat die Person, die die Familienarbeit übernommen hat, keine Weiterbildungen absolviert, sie ist vielleicht schlechter qualifiziert und wird immer weniger verdienen.
Nehmen wir mal ein klischiertes Beispiel: Der Mann verdient monatlich 50'000, die Frau mit ihrem Teilzeitpensum 3'000 Franken. Beide haben Anspruch, den zuletzt in der Ehe gelebten Standard weiter zu leben, wenn die Ehe «lebensprägend» war. Das ist sicher der Fall, wenn sie mindestens 10 Jahre gehalten hat oder wenn aus ihr Kinder hervorgegangen sind.
Zuweilen ist es dann günstiger für den Mann, wenn er seiner künftigen Ex-Frau eine Weiterbildung bezahlt und sie in dieser Zeit gar nichts verdient – dafür später auf eigenen Füssen stehen kann. Solche Fragen müssen geklärt werden, und genau das ist meine Arbeit.
Und wenn der Mann in diesem Beispiel keine Lust mehr hat, Chefarzt zu sein, und lieber Yogalehrer würde?
Das ist nicht so einfach möglich. Es wird auch von ihm erwartet, dass er entsprechend der gewählten Rollenteilung weiterarbeitet. Zuweilen versucht ein Ehegatte in solchen Fällen über ein ärztliches Zeugnis zu erwirken, dass er seinen lukrativen Job aufgeben kann. Das sind die Abgründe solcher Verfahren.
Würde ein Ehevertrag helfen?
Eheverträge sind aus meiner Sicht sinnvoll. Ein Paar hat sich dann über gewisse Dinge ausgiebig Gedanken gemacht, diese geklärt und geregelt. Wenn es zur Scheidung kommt, prüft das Gericht den Ehevertrag aber auf offensichtliche Unangemessenheit.
Oft hört man, Frauen würden über den Tisch gezogen. Hätten sie gewusst, dass nach einer Trennung wieder arbeiten müssten, hätten sie sich nicht auf eine Rollentrennung eingelassen...
Abgesehen davon, dass ich eine solche Aussage bei unserer Scheidungsrate irritierend finde (beide müssen mit einer Wahrscheinlichkeit von fast 50 Prozent mit einer Scheidung rechnen), finde ich sie diskriminierend.
Uns allen wird zugetraut, dass wir in der Lage sind, einem Leasingvertrag zuzustimmen oder eine Hypothek aufzunehmen, mit allen Folgekosten. Frauen können sich genauso wie Männer über das Eherecht und allfällige Eheverträge informieren. Über den Tisch gezogen wird da keiner.
Eines ist aber klar: Paare, bei denen beide für die Kinder sorgen und zum Familieneinkommen beitragen, haben es in einer Trennung einfacher.
Die Scheidungsanwältin Helene Klaar sagt: Zu mir kommen die Leute mit ihrem Ehemüll, den ich dann trennen muss. Sehen Sie es ähnlich?
Nein, so würde ich es nicht beschreiben. Ich berate ja auch Paare, die zu zweit kommen und eine einvernehmliche Scheidung wünschen. Dann versuche ich, mit dem Paar eine Lösung zu erarbeiten, die für beide tragbar und nachhaltig ist. Manchmal kann sich das Paar aber nicht einigen und beide nehmen je einen Anwalt, der sie individuell berät. Im äussersten Fall kommt es zur Klage.
Fliegen in Ihrem Büro zuweilen die Fetzen oder fliessen Tränen?
Befindet sich das Paar frisch in Trennung, kann es sehr emotional werden. Ich habe dafür auch Verständnis. Wollen Klienten aber in erster Linie ihren Frust loswerden, mache ich deutlich, dass dies nicht meine Rolle ist. Zum Zuhören bin ich zu teuer.
Belasten Sie Ihre Fälle?
Nicht, solange es um Geld geht. Wird um die Kinder gestritten, finde ich das schwer erträglich.
Das Gespräch führte Barbara Bleisch.