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Gesellschaft & Religion Schlagerstars sind die wahren Philosophen

Philosophie von ihrer besten Seite: frech, originell und attraktiv. Das Philosophie-Festival «phil.COLOGNE» inspiriert das Publikum. Wer hätte gedacht, dass in Songs von Udo Jürgens, Herbert Grönemeyer und Frank Sinatra jede Menge Philosophie steckt? Der Philosoph Wolfgang Buschlinger sagt wieso.

Diese Woche wurde in Köln das Denken gefeiert: Zum zweiten Mal fand die «phil.COLOGNE» statt. Das internationale Festival der Philosophie widmete sich einem breiten Spektrum philosophischer Themen und behandelte drängende Fragen unserer Zeit: Wie verändert Migration die Welt? Hat der Mann eine Zukunft? Sollten Tiere Bürgerrechte haben? Wie sehen die Kriege der Zukunft aus? Und natürlich: Was ist das gute Leben?

Audio
Philosoph Wolfgang Buschlinger über Frank Sinatras «My Way»
01:07 min
abspielen. Laufzeit 1 Minute 7 Sekunden.

Schlager mit Tiefgang

Die Programmleitung der «phil.COLOGNE» hat es auch dieses Jahr wieder geschafft, die Philosophie an die Leute zu bringen und komplexe Probleme anregend und verständlich zu präsentieren. So gelang es dem begabten Philosophievermittler Wolfgang Buschlinger in seiner Veranstaltung «Schlager, Songs und Sinn», die Liebe zum Schlager mit der Liebe zur Weisheit zu verbinden.

Er zeigte, dass in Herbert Grönemeyers Lied «Kinder an die Macht» die zivilisationskritische Weltanschauung Jean-Jacques Rousseaus erklingt und in Frank Sinatras «My Way» die Willensfreiheit ebenso wie die heutige Kardinaltugend der Authentizität besungen wird.

Luhmann mit Udo Jürgens

Buchhinweise

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  • Peter Fuchs: «Liebe, Sex und solche Sachen. Zur Konstruktion moderner Intimsysteme», Konstanz 1999.
  • Niklas Luhmann: «Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität», Frankfurt am Main 2003.

Buschlinger wagte sich sogar an die schwerverständliche Systemtheorie von Niklas Luhmann und erklärte diese anhand des Songs «Ich weiss, was ich will» von Udo Jürgens. Zunächst zeigte er, dass die Art, wie wir Lieben, gesellschaftlich und kulturell geprägt ist. Nach Luhmann gelten in verschiedenen Zeiten nämlich unterschiedliche «Liebescodes».

Bis 1650 herrschte das Ideal der höfischen Liebe: Die geliebte Person musste gewisse Werte verkörpern – das Individuum war nebensächlich. Danach kam die Phase der «amour passion», in der man glaubte, die Liebe sei ein Exzess und könne nur ausserhalb der Ehe existieren. Seit 1800 schliesslich herrscht das Ideal der romantischen Liebe: Man sucht in der Liebe die lebenslange und symbiotische Verschmelzung mit der anderen Person.

Der Code der romantischen Liebe

Der Soziologe Peter Fuchs hat in seinem Buch «Liebe, Sex und solche Sachen. Zur Konstruktion moderner Intimsysteme» die Merkmale des romantischen Liebescodes zusammengefasst. Wer wahrhaft liebe, der orientiere sich an folgendem Liebescredo: Wir beide sind eins (gegen den Rest der Welt); Ich liebe alles an dir; Ich öffne mich dir ganz und erwarte dasselbe von dir; Du bist die einzige Person in meinem Leben; Liebe ist unvernünftig und ein Ausdruck wahrer Freiheit; Im Akt des Liebemachens sind wir endlich vereint.

Buschlinger betont, dass dieser romantische Liebescode nirgends klarer zum Ausdruck komme als in Schlagern. So kommen in Udo Jürgens Song «Ich weiss, was ich will» tatsächlich alle Kriterien vor.

Sind Schlagerstars die wahren Philosophen?

Der grosse Hegel meinte, die Philosophie sei «ihre Zeit in Gedanken gefasst». Wenn das stimmt, dann sind die Schlagerstars die wahren Philosophen. Für Buschlinger kein abwegiger Gedanke. Die Zeit, in der wie leben, prägt uns und kommt in unseren Produkten wieder zum Ausdruck. Zu diesen Produkten gehören auch die Schlager. Und da Schlagershows die besten Einschaltquoten haben, sollte man besonders gut zuhören, denn nirgends spricht der Zeitgeist so deutlich wie hier.

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