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Eine Frau zieht ihre Kapuze übers Gesicht.
Legende: Untersuchungen an der Universität Zürich lassen vermuten, dass Stimmenhören keine reine «Einbildung» ist. photocase/inkje

Schweigen brechen Stimmen im Kopf: Betroffene erzählen

Selbstgespräche führen, das tun wir alle. Doch wer Stimmen hört, gilt als unzurechnungsfähig oder schlimmer. Neue Zugänge zu diesem Phänomen zeigen: Stimmen können Ressourcen sein.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Gemäss einer Untersuchung von 2011 hören zwischen sechs und 15 Prozent aller Menschen irgendwann Stimmen.
  • Stimmenhören ist mit einem starken Stigma belegt: Wer Stimmen hört, der bilde sich etwas ein und sei unzurechnungsfähig.
  • Die Sicht aufs Stimmenhören könnte sich bald verändern. Die Forschung möchte einen neuen Zugang finden.

Stimmenhören galt bis vor wenigen Jahren in erster Linie als Folge gestörter Hirnfunktionen, als krankhafte Einbildung, die es loszuwerden gilt, als Zeichen schwerer psychischer Erkrankung.

Im Zentrum steht die Angst vor Stimmen, die dazu verleiten, sich selber oder andere Menschen zu gefährden. Tatsächlich: Es muss sehr irritierend und furchteinflössend sein, plötzlich nicht lokalisierbare Stimmen zu hören.

Verbreitetes Phänomen

Gemäss einer Untersuchung von 2011 hören zwischen sechs und 15 Prozent aller Menschen irgendwann Stimmen. Es ist gut nachvollziehbar, dass es Betroffenen schwer fällt, darüber zu sprechen.

Stimmenhören ist mit einem starken Stigma belegt: Wer Stimmen höre, bilde sich etwas ein und sei unzurechnungsfähig. Da liegt der Bezug zur psychischen Erkrankung nahe, denn solche Stimmen können zum Beispiel bei Schizophrenie und Psychosen in Erscheinung treten.

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Die Dokumentation «Stimmen im Kopf» von Anja Krug-Metzinger zeigt SRF: am Sonntag, 12. Februar 2017 um 10:00 Uhr auf SRF1.

Stimmen als «Teil der Familie»

Doch die Sicht aufs Stimmenhören könnte sich bald verändern. Schon seit längerem gibt es stimmenhörende Menschen, Psychiater und Neuropsychologen, die nach einem neuen Zugang zu diesem Phänomen suchen. Im Zentrum steht die Frage, wie es dem Betroffenen gelingen kann, diese Stimmen positiv zu beeinflussen, sodass sie Autorität und Bedrohlichkeit verlieren.

Manche Menschen schaffen es, die Stimmen in den Alltag zu integrieren, wie ein neuer preisgekrönter Film dokumentiert. Darin erzählen mehrere Stimmenhörer von ihren Erfahrungen. Mittlerweile anerkennen sie ihre Stimmen als Art Begleiterinnen, mit denen sie einen inneren Dialog führen. Oder, wie es ein englischer Animationsfilm eindrücklich darstellt: Die Stimmen werden als «Teil der Familie» integriert, die aber nicht mehr bestimmen sollen über das Leben des Betroffenen. «They are no longer running the show.»

Das Schweigen brechen

Auslöser für den Film «Stimmen im Kopf» der Filmautorin Anja Krug-Metzinger war ein Zufall: Ihre langjährige Tonmeisterin erzählte von ihren Stimmen und davon, dass sie sich kaum traue, mit jemandem darüber zu sprechen. Die Frau ist denn auch Protagonistin des Films geworden. Krug-Metzinger hatte jedoch grosse Schwierigkeiten weitere Stimmenhörer zu finden, die ihr Schweigen brechen.

Doch woher kommen die Stimmen, und was «hören» die Betroffenen? Es gibt in vielen Fällen einen Zusammenhang zwischen Kindheitstraumata wie sexuellem Kindsmissbrauch, sagen Psychologen. Auch die Hirnforschung beteiligt sich daran, dieses Phänomen zu verstehen.

Untersuchungen des Neuropsychologen Peter Brugger an der Universität Zürich lassen vermuten, dass Stimmenhören keine reine «Einbildung» ist: Bei stimmenhörenden Menschen sind im Moment des Hörens jene Hirnareale aktiviert, die für akustische Signale zuständig sind – obwohl keine physischen Lautquellen vorhanden sind.

Faszinierende Forschung

Eleanor Longdon ist Stimmenhörerin und Psychologin. Sie nähert sich dem Phänomen, von zwei Seiten: als Betroffene und als Wissenschaftlerin. In einem Experiment und mit Unterstützung eines Therapeuten versetzt sie sich vor der Kamera in die Figuren, die zu ihren Stimmen gehören. So will sie verstehen, wer diese Stimmen sind und woher sie kommen könnten. Ein berührender Moment. In Anschluss daran schildert sie, wie sich ihre Beziehung zu den Stimmen verändert hat.

Sie sagt, es sei derzeit ein aufregendes Forschungsfeld, weil in den letzten zehn Jahren das klinische und konzeptionelle Verständnis für das Phänomen Stimmenhören grosse Fortschritte gemacht habe.

Sich in therapeutischer Absicht mit solchen inneren Stimmen auseinander zu setzen, kann riskant sein. Dazu braucht es erfahrene Begleitung. Aber es ist ein faszinierender Ansatz, der versucht, bedrohlichen Symptomen in eine Ressource zu verwandeln. Und vielleicht verrät er uns etwas über das Geheimnis des menschlichen Bewusstseins.

Sendung: SRF 1, Sternstunde Religion, 12.2.2017, 10:00 Uhr.

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