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Schweizer Auswanderer Nicht alle, die im Ausland ihr Glück suchten, wurden fündig

Das Landesmuseum zeigt 170 Jahre Schweizer Auswanderergeschichte und erzählt von glücklosen Abenteurern und erfolgreichen Glücksritterinnen.

Gleich neben dem Eingang zur Ausstellung steht eine Seekiste, gefüllt mit Abenteuer-Romanen. Die Umschläge versprechen fantastische Schiffsreisen, exotische Landschaften und Goldschätze. Der Traum vom Glück in der Ferne hat dann aber oft nicht ganz mit der Realität übereingestimmt.

Tränen in der neuen Welt

«Mein Vater hat viel geweint, er hatte oft Heimweh», ist in der Ausstellung «Weg aus der Schweiz» von einer Frau zu hören, deren Familie 1936 aus der Stadt Bern nach Argentinien auswanderte. Ihre Geschichte ist eine von 27, die im Landesmuseum gezeigt werden.

Schwarzweissbild: Menschen mit viel Gepäck an einem bahnhof
Legende: Auf dem Weg in ein neues Leben: Schweizer Arbeitslose brechen um 1930 auf nach Brasilien. KEYSTONE / PHOTOPRESS-ARCHIV / Str

Oft war wirtschaftliche Not der Grund für die Auswanderung. Im 19. Jahrhundert war die Armut in der Schweiz gross. Die Gemeinden, die für die Menschen aufkommen mussten, suchten nach Lösungen.

Zum Auswandern gezwungen

Ausstellungskuratorin Marina Amstad erzählt etwa von der Gemeinde Rothrist: «Weil es für die Gemeinde günstiger war, wenn diese Menschen auswanderten, hat man einen Aufruf gemacht. Es haben sich etwa 150 Menschen gemeldet, die bereit waren auszuwandern.»

Weil das nicht genug gewesen sei, habe man weitere Menschen zum Auswandern überredet oder gezwungen: «Frauen, auch alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern, wurden mit Androhung von Polizeigewalt zum Gehen gedrängt.»

Plakat mit dem Bild eines Schiffes und der Aufschrift «Royal Mail Line nach Südamerika und New York»
Legende: Ein Werbeplakat von 1930 richtet sich an Auswanderungswillige. Verkehrshaus der Schweiz, VA-40166x

Im Ausland zu Ruhm und Reichtum

Es gibt in der Ausstellung auch erfolgreiche Auswanderer-Geschichten von Menschen, die in der Ferne fanden, wonach sie gesucht hatten.

César Ritz etwa, der 1867 vom Oberwallis nach Frankreich ging und mit dem Hotel Ritz neue Massstäbe in der Luxus-Hotellerie setzte. Oder Josephine Fallscheer-Zürcher, die 1897 eine der ersten Ärztinnen im Osmanischen Reich wurde.

Statue eines gehenden Mannes
Legende: In seiner Herkunftsgemeinde Niederwald hat man dem ausgewanderten César Ritz eine Statue errichtet. Keystone / JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Wenn gut ausgebildete Schweizerinnen und Schweizer wie Fallscheer-Zürcher ihr Fachwissen in der Schweiz nicht einsetzen konnten, gingen sie oft ins Ausland. «Gut ausgebildete Menschen aus der Schweiz waren im Ausland gefragte Expertinnen und Experten», sagt Amstad.

Frauen konnten im Ausland mit Fähigkeiten und Kenntnissen punkten, die man ihnen in der Schweiz nicht zutraute. Auch männliche Auswanderer machten ihr Glück, indem sie Know-How und Techniken von zu Hause mitbrachten. So gründete etwa der Tessiner Confiseur Gianfranco Arnoldi in Mexico ein Schokoladen-Imperium mit 25 Geschäften.

Auswanderungswellen in Krisenzeiten

Die Biografien, die in der Ausstellung nacherzählt werden, stammen von bekannten und weniger bekannten Figuren aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst und Unterhaltung. Dargestellt werden die Lebensgeschichten mit Dokumenten, Objekten und Film-Ausschnitten. Rund 170 Jahre Auswanderungsgeschichte werden so abgedeckt.

Die Auswanderung spiegle immer auch, was in der Schweiz gerade passiert sei, sagt Kuratorin Amstad: «Die erste Auswanderungswelle des 19. Jahrhundert gab es nach 1815/1816, als eine kleine Eiszeit zu einer Hungersnot in der Schweiz geführt hatte.»

Schwarzweissbild: Gruppe von Menshcen vor einem Haus mit der Aufschrift «Chalet Suisse»
Legende: Schweizerinnen und Schweizer errichten sich 1933 in Kinshasa in der heutigen Demokratischen Republik Kongo ein Stück Heimat. Schweizerisches Bundesarchiv, Bern

Auch in den 1850er-Jahren lösten Missernten eine Hungersnot aus, die zu vermehrten Auswanderungen führte. Die letzte Auswanderungswelle in den 1920er-Jahren sei dann dadurch unterbrochen worden, dass es immer schwieriger geworden sei, in Übersee Land zu kaufen. «Aber die Ausreise nach den europäischen Ländern war immer konstant.»

Rund 800’000 Schweizer und Schweizerinnen leben heute im Ausland. Und auch wenn Reisen heute viel einfacher geworden ist, so zeigt die Ausstellung doch, dass immer noch eine ganze Menge Mut und eine gesunde Portion Abenteuerlust dazugehören, der Schweiz den Rücken zu kehren.

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung «Weg aus der Schweiz.
Auswanderungsgeschichten seit 1848»
ist noch bis 24. April im Landesmuseum Zürich zu sehen.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 12.1.2022, 8:06 Uhr ; 

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