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Gesellschaft & Religion Schweizer Elite-Internate: Zwischen Partyexzessen und Disziplin?

Rund um die teuren Schweizer Internate ranken sich zahlreiche Gerüchte: gnadenlose Disziplin, horrend hohe Schulgelder, knallharte Champagnerpartys und erkaufte Noten – das alles mitten in einer idyllischen Alpenlandschaft. Nicht alle Vorurteile stimmen. Aber an manchen ist etwas dran.

Elite-Internate sind geheimnisvolle Orte. Gefängnissen oder Klöstern gleich bleibt ihr Innenleben hinter Mauern verschlossen. Vielleicht gibt es deshalb so viele Klischees rund um den Alltag der Internatsschüler: Zwischen strengster Disziplin und aufregenden Partys gemeinsam um die Wette lernen und dank reichen Eltern den Abschluss erkaufen können, sollten die Noten nicht reichen. Das zumindest suggerieren Filme oder Bücher.

Internat als Tatort-Schauplatz

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Der Tatort vom 13. März spielt in einem Luzerner Elite-Internat. Nach der Ausstrahlung von «Kleine Prinzen» beantworten Hauptdarsteller Stefan Gubser und Regisseur Markus Welter im Live-Chat Fragen der Zuschauer.

Vorurteile, die keine sind

Doch wie sieht die Realität aus? Balz Müller, Rektor des Lyceum Alpinum in Zuoz, widerspricht jenen Bildern vehement: Der Abschluss könne nicht mit Geld erworben werden. Zu gross sei die Kontrolle der Maturaergebnisse durch Kanton und Staat. «Aber die überwachte Hausaufgabenerledigung oder ein Sonderkurs stellen Angebote dar, welche gewissermassen ‹erkauft› werden.» Die Leistung müssten die Kinder jedoch selbst erbringen, «gnadenlos!»

Dazu braucht es strenge Disziplin. Drogenkonsum wie Rauchen von Cannabis komme da nicht in Frage. Deshalb gibt es Urintests, unangekündigt versteht sich. «Wir testen pro Woche etwa 15 Leute auf Drogen», sagt Balz Müller. Fällt der Test positiv aus, gibt es eine B-Probe durch das Spital. Ist auch diese positiv, muss der Schüler innerhalb von 24 Stunden das Internat verlassen. Kein Mythos, sondern eiserne Regel.

Gesunde Alpenluft und geordnete Verhältnisse

Nicht nur das Internatsleben an sich, auch der gute Ruf von Schweizer Privatschulen basiere auf Klischees. Laut Peter Metz, Professor für Historische Pädagogik, sei das gesunde Alpenklima ebenso wie das Bild der friedfertigen, politisch neutralen Schweiz entscheidend dafür gewesen, dass die internationale Elite ihren Nachwuchs in die Schweiz zur Schule schickte. Und natürlich die gute Pädagogik. Parallel zur Entwicklung der Hotellerie seien deshalb die Internate seit Gründerzeiten ab den 1880er-Jahren von einer internationalen Klientel besucht worden. Die Kinder kamen aus England, Holland, Deutschland, aus der Türkei oder Russland.

Schüler sitzen an Pulten und schauen in Bücher.
Legende: Schweizer Internate sind bei der internationalen Elite nach wie vor beliebt. Lyceum Alpinum / Benjamin Hofer

Was damals galt, gilt noch heute: «Gerade für Chinesen ist die Vorstellung der guten Luft und des gesunden Essens wichtig bei der Wahl des Internats», sagt Balz Müller vom Lyceum Alpinum. Deshalb gebe es in Zuoz viele Chinesisch sprechende Kinder. Ihre sogenannte Quote sei erfüllt: Im Gegensatz zu Jugendlichen aus deutschsprachigen Ländern haben andere Nationen eine Limite von zehn Prozent. Diese erreiche ebenfalls die russischsprachige Schülerschaft. Für alle anderen derzeit 35 vertretenen Nationen gäbe es noch Platz, berichtet Müller.

Zahlen, bitte! Teures Schulgeld

Nebst den Quoten ist aber auch der finanzielle Hintergrund für die Aufnahme ins Internat entscheidend. Nicht jede Familie kann sich das Schulgeld leisten. Bereits 1920 war es vergleichsweise hoch, wie Peter Metz weiss. Während beispielsweise die Zuger Kantonsschule fünf Franken pro Jahr kostete, verlangte das Internat Montana auf dem Zugerberg 3000 bis 4000 Franken: «Nicht mal ein ETH-Professor konnte sich damals dieses Schulgeld leisten.»

Bis in die 1950er-Jahre wurden beim Schülerverzeichnis der Internate die Berufsgruppen der Väter eingetragen. Nebst Baronen und Grafen finde man Ärzte, Anwälte oder Werftbesitzer, sagt der Historiker Metz. Die Klientel sei heute ungefähr dieselbe, schätzt er.

Wer sein Kind ins Lyceum Alpinum geben will, muss mindestens 72'000 Franken pro Jahr Schul- und Pensionsgeld bezahlen. Hinzu kommen einmalige 1500 Franken Anmeldegebühren und ein Deposit von 18'000 Franken, das aber beim Abschluss der Schule zurückbezahlt wird. Auch heute also keine günstige Angelegenheit.

Namen oder Herkunft der Schülerinnen und Schüler will Rektor Balz Müller nicht nennen. Das Vorurteil der Diskretion entpuppt sich ebenfalls als Wahrheit. Das Geheimnisvolle der Internatswelt bleibt bestehen, der Blick über die Mauern eingeschränkt.

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