Das Wichtigste in Kürze:
- In der Schweiz entscheiden sich jährlich etwa 600 Menschen mit Hilfe einer Sterbehilfeorganisation aus dem Leben zu scheiden – Tendenz steigend.
- Die Kirchen haben sich bisher mit Stellungsnahmen bezüglich Seelsorge bei selbstbestimmtem Sterben zurückgehalten.
- Die evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Waadt empfiehlt ihren Seelsorgerinnen und Seelsorgern Sterbende bis zum Schluss zu begleiten, auch wenn sie sich für Sterbehilfe entscheiden.
Ein gewalttätiger Akt?
Sterbehilfe sei für ihn ein gewalttätiger Akt – er könne nicht hinter dem selbstbestimmten Sterben stehen, sagt Dominique Troilo.
Der Dekan der waadtländischen Altersheimseelsorge erhielt von seiner Kirchenleitung, dem Synodalrat der Waadtländer evangelisch-reformierten Kirche, ein Schreiben. Darin steht: Der Seelsorger soll den sterbenden Menschen auch bei einem assistierten Suizid bis zum Ende begleiten.
Falsches Signal?
Dominque Troilo befürchtet eine falsche Signalwirkung: Es könnte der Eindruck entstehen, der Seelsorger und damit die Kirche sei mit der Sterbehilfe einverstanden.
Der Dekan spricht sich nicht generell gegen das selbstbestimmte Sterben aus. Er respektiere den Entscheid der Sterbewilligen, beteuert er. Doch möchte er bei diesem Akt nicht anwesend sein.
Diese Freiheit hat der Seelsorger auch weiterhin. Denn die Kirchenleitung hat sich nicht für eine Anwesenheitspflicht entschieden, sondern gibt im Schreiben nur eine Empfehlung ab.
Seelsorger sind keine Richter
Dass es den Seelsorgerinnen und Seelsorgern im Kanton Waadt frei stehen sollte, ob sie anwesend sein möchten oder nicht, dafür spricht sich auch Isabelle Noth, Direktorin des Instituts für praktische Theologie an der Universität Bern aus: «Eine gute Seelsorge kann nur da stattfinden, wo sie freiwillig geschieht.»
Isabelle Noth begrüsst es aber, dass Seelsorgende ermutigt werden, die Sterbenden – auch bei einem assistierten Suizid – bis zum Ende zu begleiten. «Es ist nicht die Aufgabe der Seelsorge anderen Menschen zu sagen was richtig und falsch ist. Sondern ihre Aufgabe ist es, sie auf ihrem Weg zu unterstützen.»
Kein Ausweg
Mit oder ohne Segen der Kirche: Sterbebegleitung wird zunehmen, da sind sich alle Beobachter einig. Deswegen müsse innerhalb der Kirche unbedingt eine Grundsatzdebatte stattfinden, fordert Isabelle Noth: «Es ist dringend notwendig, dass die kirchlichen Seiten mitsprechen und wir die Menschen hier nicht alleine lassen.»
Die evangelisch-reformierte Waadtländer Kirche hat dieses Thema nun als erste aufgegriffen. Auch andere Kantonalkirchen werden nicht darum herum kommen, sich in nächster Zeit mit Sterbehilfe und Seelsorge intensiver zu beschäftigen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 8.2.2017, 6.50 Uhr