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Self-Storage im Trend Der Traum vom Stauraum

Self-Storage ist mehr als ein Raum, in dem man etwas lagert: Der Begriff beschreibt ein junges Phänomen, das auch in der Schweiz immer populärer wird.

«Eigentlich sollten die Möbel nur ein paar Monate hier stehen», erklärt Kurt Schenk. «Mittlerweile sind sie aber seit sechs Jahren hier.» Der 80-Jährige steuert zielsicher durch die grell erleuchteten Gänge.

Schenk mietet seit 2013 in der Berner Zebrabox ein Abteil über zwölf Quadratmeter. Dort lagert er das gesamte Mobiliar einer Einzimmerwohnung, inklusive Küchengeräte und Wandschmuck.

Ein Mann läuft durch einen Gang.
Legende: In den Gängen eines Berner Anbieters für Lagerräume: Kurt Schenk mietet hier eine Box mit zwölf Quadratmeter Stauraum. Claudia Herzog

«Die Möbel waren eine Sonderanfertigung, knapp zwei Jahre benutzt, im besten Zustand.» Dann wurde seine Zweitwohnung gekündigt und die Einrichtung musste irgendwo untergebracht werden.

«Meine Frau und ich wollten sie nicht einfach wegschmeissen.» Aus der geplanten Zwischenlagerung wurde schliesslich eine permanente Lösung.

Die wachsende Nische

Self-Storage ist nichts allzu Neues in der Schweiz: 1979 eröffnete das erste Selbstlagerzentrum Europas in Zürich-Oerlikon. Doch ein rentables Geschäft wurde es erst in den letzten zwei Jahrzehnten.

Heute gibt es rund 90 kommerzielle Lagerräume in der Schweiz. Diese bieten Stauraum so gross wie zwölf Fussballfelder – und es werden immer mehr.

Eine Zwischenlösung für lange Zeit

Christian Schmutz ist Geschäftsführer von Zebrabox. Der Schweizer Marktführer hat neun Filialen, weitere sind in Planung. «Bei den Privatkunden gibt es zwei Kategorien: Kurz- und Langzeitmieter.» Den Grossteil seiner Kunden kategorisiert Schmutz als «change-driven».

Das sind Menschen, die gerade einen Wechsel in ihrem Leben erleben. Sei es ein Umzug, eine Trennung, einen Job- mit Wohnortwechsel oder Eltern, die ins Altersheim gehen. «Da ist man in einer Situation, wo man Zwischenlösungen braucht» – und für gewissen Zeit Sachen einlagern will.

Miete teurer als der Inhalt

Kurt Schenk hat seine Box seit sechs Jahren gemietet. Die Miete hat den Wert der gelagerten Sachen mittlerweile wohl übertroffen.

Mann packt Sachen aus
Legende: Eigentlich wollte Kurt Schenk die Möbel nur zwischenlagern. Doch aus Wochen wurden Jahre. Claudia Herzog

Schenk ist es das wert: «Für mich war wichtig, dass die Sachen sicher gelagert sind», sagt der Rentner. «Die Luftfeuchtigkeit stimmt, die Sauberkeit stimmt. So nimmt’s keinen Schaden.»

«Wir erleben oft, dass die Lagerungskosten über Jahre den materiellen Wert der gelagerten Waren irgendwann übersteigen. Unser Geschäft hat auch viel mit emotionalen Werten zu tun», sagt Schmutz.

Wenn zum Beispiel die Eltern sterben, sei es nicht untypisch, dass die Nachkommen deren persönliche Gegenstände jahrelang aufbewahren. «Am Ende werden die Sachen oft weggeschmissen», sagt Schmutz.

Die emotionale Distanz zu den Sachen würde mit der Zeit immer grösser. «Und irgendwann kommt der Punkt, wo man entscheidet: Jetzt lohnt es sich nicht mehr, für die Lagerung Miete zu zahlen.»

Der fehlende Estrich im Neubau

In der Schweiz ist Self-Storage bisher ein Nischengeschäft: Misst man die Anzahl Self-Storage-Quadratmeter pro Kopf, liegen wir deutlich unter dem europäischen Durchschnitt.

Doch es ist ein Nischengeschäft, das dank gesellschaftlichen Mega-Trends wie Urbanisierung, Überalterung oder Mobilität zu einem Mini-Trend geworden ist.

Während in der Schweiz sehr viele Häuser Estrich und Keller haben, ist das bei Neubauten oft nicht mehr der Fall. «Die Verdichtung trägt dazu bei, dass wir immer mehr in die Höhe bauen», sagt Schmutz. «Aber wenn ein Hochhaus mit 30 Stockwerken gebaut wird, baut man nicht fünf Untergeschosse, damit jeder Mieter einen eigenen Keller hat.»

Die ständige Übergangsphase

Ein anderer Grund ist die steigende Mobilität: Die Leute wechseln heute häufiger ihre Stelle, den Lebenspartner oder den Wohnort als früher. Für zwei Jahre im Ausland zu arbeiten oder auf Weltreise zu gehen ist heute Teil der meisten Biografien.

Ein Mann hält ein Bild in der Hand.
Legende: Wie der 80-jährige Kurt Schenk lagern immer mehr Menschen Dinge ein, von denen sie sich nicht trennen wollen. Claudia Herzog

«Früher hatte man einen Lifetime-Partner, einen Lifetime-Job und oft auch eine Lifetime-Wohnung. Das ist immer weniger der Fall», sagt Schmutz. «Man ist heute viel öfter in einer Übergangsphase.» Das erkläre, warum immer mehr Leute ein Zwischenlager brauchen.

Flexibilität in Zeit und Raum

Die Mindestmietdauer einer Self-Storage-Box beträgt in der Regel nur wenige Wochen. Man kann einen Quadratmeter oder 50 mieten und hat rund um die Uhr Zugang zu den Boxen – auch am Wochenende oder abends.

Self-Storage bietet Flexibilität ohne Verpflichtung. Das ist ein passendes Angebot für Menschen, die sich immer weniger festlegen wollen.

Mann schliesst Türe auf
Legende: Wann immer er will, hat Kurt Schenk Zugang zu seinen Sachen. Claudia Herzog

Kurt Schenk rechnet damit, dass seine Möbel noch in diesem Jahr wieder einen Platz in einer Wohnung finden und er seine 12-Quadratmeter-Box kündigen wird. «Entweder benutzen wir die Möbel selbst oder wir verschenken sie. Aber auf jeden Fall sind sie in einem guten Zustand.» Das sei das Wichtigste.

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