Normalerweise dürfen Besucher hier nicht hinein. Daniel Hofer, Stuhlmeister der Zürcher Freimaurerloge «Modestia cum Libertate» («Bescheidenheit und Freiheit»), macht eine Ausnahme.
Als er die schwere Holztür zum Herzstück des Logenhauses öffnet, umgibt uns Kerzenduft. Gotische Fenster geben den Blick in den Saal frei, zu beiden Seiten blau bezogene Bänke, am Kopfende eine Kanzel und darüber: eine von goldenen Sternen übersäte Decke. Der Tempel wirkt fast wie eine Kirche.
Sakrale Aura und Retro-Charme
So sakral sehen allerdings längst nicht alle Freimaurertempel aus. Das beweist ein kurzer Abstecher ins Kellergeschoss: Hier beherbergt das Zürcher Logenhaus einen weiteren Tempelraum.
Schliesslich treffen sich in dem Komplex regelmässig acht verschiedene Logen, da braucht es Platz.
Der Raum im Keller wirkt ein bisschen wie die Kulisse aus einem alten Film. Dieser Gebäudeteil wurde in den 1960er-Jahren renoviert – und so sieht er auch aus: Über den hellblauen Kinostühlen hängen Röhrenlampen, das Ganze versprüht Retro-Charme.
Die Geburtsstunde der modernen Freimaurerei
Doch so unterschiedlich die beiden Tempel im Zürcher Logenhaus auch seien mögen – es gibt etwas, das ihnen gemeinsam ist. Und nicht nur diesen beiden Räumen, sondern allen Freimaurertempeln weltweit: Form und Sitzanordnung sind dem englischen Parlament nachempfunden, erzählt Hofer.
Auf diese Weise solle daran erinnert werden, dass die Freimaurerei genau dort entstand: 1717 schlossen sich in England vier Logen zur ersten Grossloge zusammen – die Geburtsstunde der modernen Freimaurerei.
Unter dem Sternenhimmel im ersten Tempel stechen drei massive Kerzensäulen ins Auge. Jede von ihnen steht für eine Tugend: Weisheit, Stärke, Schönheit.
Schaut man sich um, entdeckt man weitere Symbole: etwa ein grosses goldenes «B», das auf einer Säule am Eingang prangt. Wofür es steht – das will Daniel Hofer nicht verraten.
Gerechtigkeit, Liebe und Toleranz
Zeichen wie diese und die geheimen Rituale der Freimaurer dürften ein Grund dafür sein, dass sich um die Logen bis heute allerlei Mythen ranken. Hofer dagegen betont: Das Ziel der Freimaurerei sei leicht zu erklären.
Es gehe vor allem darum, an sich selbst zu arbeiten, sich selbst zu erkennen. Gerechtigkeit, Liebe zu den Mitmenschen, Toleranz – das sind einige der Werte, für die sich Freimaurer stark machen.
Geheimrituale zur Aufnahme
Wer in den erlesenen Zirkel aufgenommen werden will, muss sich einem der geheimen Rituale unterziehen. Dann ist der dunkelblaue Raum in Kerzenlicht getaucht. Was passiert dann?
Genau beschreiben möchte Daniel Hofer das nicht. Nur so viel: «Man kann sich die Rituale ein bisschen wie Theaterstücke vorstellen», erklärt er. «Das ist immer derselbe Text und dieselbe Handlung, an vorgegebenen Stellen kommt Musik zum Einsatz.»
Klar gegliederte Rangordnung
Zumindest formell gibt es in der Freimaurerei eine strenge Hierarchie aus Lehrlingen, Gesellen und Meistern. Zu diesen drei Graden kommen verschiedene Hochgradsysteme.
In der Schweiz gebe es bis zu 33 Rangstufen, in manch anderen Ländern bis zu 99, erzählt Hofer. Und welchen Rang hat er selbst? «Das sagt ein Freimaurer nicht.» Da übt er sich selbst ganz in «Modestia», in Bescheidenheit.
Dezemberserie «Türen öffnen»
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 11.12.2017