«Domenica in»: Diese mehrstündige Show – ein Mix aus Talk und Varieté – am Sonntagnachmittag gibt es seit den 1970er Jahren bis heute. Gross gemacht hat sie der Showmaster Pippo Baudo.
Nach dem Ölpreisschock konnten sich viele Italienerinnen und Italiener den Sonntagsausflug im Auto nicht mehr leisten. Die Rai reagierte mit einer Sendung, die Ersatz schaffen sollte – gratis und bequem: Zuhause auf dem Sofa. Sie wurde ein durchschlagender Erfolg. Pippo Baudo unterhielt Italien.
Eigentlich hätte er Anwalt werden sollen, wie schon sein Vater. Tadellos gekleidet wie ein Anwalt war Pippo Baudo auf jeden Fall – immer im Anzug, immer mit Krawatte. Trotzdem zog es ihn nach dem Jura-Studium nicht in eine Kanzlei, sondern ins grelle Scheinwerferlicht.
Grosse Erfolge bei der Rai
Er reiste nach Rom, um sich in den Studios der Rai vorzustellen. Dort bescheinigte man ihm, Talent zu haben, aber nur für «Spettacoli minori» – fürs Kleinspektakel. Einzig wegen einer technischen Panne, weil eine Sendung ausfiel, schaffte er es als Lückenbüsser auf die ganze grosse Bühne der Rai. Er sollte sie für 60 Jahre nie mehr verlassen.
Baudo sang, zum Beispiel mit Domenico Modugno oder den Kessler Zwillingen. Und er tanzte mit Raffaella Carrà. Was ihn aber tatsächlich auszeichnete, war sein absolut sicheres Gespür für den breiten Publikumsgeschmack.
Seit Baudos Tod bekannt ist, trauert Italien. Zum Beispiel der Tenor Andrea Bocelli: Pippo Baudo sei gebildet, elegant und nie vulgär gewesen. Das sind seltene Eigenschaften im Showbiz.
Denn fürs Spektakel ging er zwar bis an die Grenze des guten Geschmacks – aber fast nie darüber hinaus. Einmal liess er sich auf der Bühne die Hose ausziehen, und entblösste dabei seine biederen Sockenhalter.
Einmal Berlusconi – und zurück
Baudo ging nie in die Politik, doch man wusste, dass sein Herz für die Christdemokraten schlug, die in Italien bis in die 1990er-Jahre dauerregierten. Seiner Karriere war dies sicher zuträglich. Fast immer stand er vor den Kameras des staatlichen Rundfunks Italiens – der Rai.
Nur kurz wechselte er zu Berlusconis Privat-Konkurrenz. Ein unglücklicher Ausflug. Bald kehrte Baudo reumütig zur Rai zurück.
13 Mal moderierte er das Sanremo-Festival – zweimal mehr als sein Konkurrent Mike Bongiorno. Baudo war auch künstlerischer Direktor von Sanremo. Viele Stars brachte er erstmals auf die grosse Bühne: Eros Ramazzotti, Laura Pausini oder Roberto Benigni. Und: er entdeckte Beppe Grillo. Jenen Komiker, der sich später aufmachte, mit den Cinque Stelle Italiens Politik aufzumischen.
Baudos Hinterlassenschaft sind seine Shows, aber auch all die Stars, die mit ihm gross wurden und es bis heute sind.