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Gesellschaft & Religion Singen als Lichtblick: Sie nannten ihn Hombi

Christoph Homberger, Schauspieler und Sänger, kehrte dem klassischen Kulturbetrieb den Rücken. Er hatte genug vom Jahrmarkt der Eitelkeiten. Nun findet er zur Kultur des Teilens.

«S'isch äbene Mönsch uff Aerde!» Das Guggisberglied schallt durch die Bahnhofshalle des Zürcher HB. Unter Niki de Saint-Phalles prallem Engel finden Hunderte von Menschen von hier und weit fort zusammen und singen.

Es ist der 2. April 2016. Der Tag des Abschlusskonzertes des Montags-Chors. Passanten bleiben stehen. Manche singen mit. Nicht wenige haben Tränen in den Augen. Mitten drin, auf einem Podest steht schwarz gewandet und stimmgewaltig Christoph Homberger: Marthaler-Schauspieler, Tenor und Erfinder des Montags-Chors.

Video
Singende Flüchtlinge
Aus Tagesschau vom 02.04.2016.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 45 Sekunden.

Die Idee kam in der Nacht

Die Idee kam mit der ersten Ausschaffungsinitiave. Homberger wusste: «Jetzt muss ich was tun. Was kann ich tun? Ich kann singen. Jeder Mensch hat eine Stimme. Ich gründe einen Chor. Einen Chor für Flüchtlinge und Menschen von hier.»

Über Nacht war die Idee geboren. Ein Kirchgemeindehaus wurde gefunden. Und Sponsoren wurden gesucht. Homberger tingelte von einem Heim für Asylsuchende ins Nächste und sang dort mit den Menschen. Knochenarbeit.

«Die Herzfrequenz gleicht sich an»

Langsam kamen die Menschen am Montag zusammen. Montag für Montag waren es mehr. Das Kirchgemeindehaus wurde zu klein. Der Montags-Chors dislozierte ins Zürcher Volkshaus. Später auf die Probebühne der Oper.

Sie kamen alle immer wieder und brachten andere mit, die auch immer wieder kamen. Sie nannten ihn Hombi. Die Menschen aus Zürich. Aus Eritrea. Aus dem Sudan. Aus Syrien. Aus anderswo. Ein einziger Klangkörper.

«Das Tolle am Singen ist», sagt Hombi, «die Herzfrequenz aller gleicht sich an.» Inklusion würden das Soziologen nennen. Homberger mag solche Wörter nicht. «Ich mache einfach.»

Schluss mit Eitelkeit: «Kultur muss ein Motor sein.»

Vor zehn Jahren hatte der erfolgreiche Schauspieler und Tenor genug von der arrivierten Kultur. Genug von der eigenen Eitelkeit und der Eitelkeit der anderen: «Kultur muss ein Motor sein. Es muss etwas in Bewegung kommen.»

Hombergers künstlerischer Anspruch bleibt. Aber sein Kulturbegriff hat sich verändert. Es ist eine Kultur des Teilens. Der Mitfünfziger steht ein für eine Klimaerwärmung der erwünschbaren Art: «Wir haben doch alle genug. Wenn jeder etwas abgibt, schwinden die Probleme.»

Nicht alle mögen das, was er sagt. Homberger wird auch beschimpft: «Du Sau, du Schlampe, du hast uns schon früher im Theater verärgert und jetzt auch noch dieses Gutmenschengesülze.» Auch wenn der Kulturmann den Dickhäuter mimt, kein Zweifel, spurlos gehen diese Attacken nicht an ihm vorüber.

Schlemmen und lauschen im Salon

Homberger singt nicht nur gut. Er kocht auch gern. Und isst mit Lust. Das zeigt sein runder Bauch. Nach wie vor liebt er die Musik. Aber Neues, noch Unentdecktes soll es sein. Rohdiamanten. All das vereint sich an vier Tagen die Woche in Oerlikon am Dialogweg unter einem Dach.

Dort liegt «Hombi's Salon». Der Salon ist ein lang gehegter Traum des streitbaren Mannes. Vom Donnerstag bis zum Sonntag kocht Christoph Homberger für ein paar Dutzend Leute, die gerne mit anderen zusammenkommen zum Schlemmen und Lauschen.

Zweiertisch gibt's nicht

Die vier Gänge des Hobbykochs werden begleitet von Konzerten der besonderen Art. «Es ist ja unglaublich, was für grosse Talente sich an den Hochschulen tummeln», schwärmt der Künstler. Er lädt sie ein. Und sie kommen. Kommen gerne.

In seinem Salon gibt es keine Zweiertischchen. Man sitzt mit solchen, die man noch nicht kennt, zusammen. Man muss schon den Mund aufmachen. Nicht nur zum Essen. Mitteilen, teilen auch da. Come together! Hombis Traum.

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